Lernverlaufsdiagnostik Orthografie durch Fehleridentifikationstests

Aktuell liegen keine lernverlaufsdiagnostischen Verfahren zur formativen Erfassung der Rechtschreibleistungen in der Sekundarstufe vor. Diese Forschungslücke soll perspektivisch geschlossen werden. Bei statusdiagnostischen Tests (u.a. der Hamburger Schreib-Probe; May, Malitzky & Vieluf, 2022) und ebenso bei bisher vorliegenden verlaufsdiagnostischen Messverfahren (u.a. RESI 1-4, Blumenthal, Sikora & Mahlau, 2021) wird typischerweise die aktive Facette der Rechtschreibkompetenz (korrektes Schreiben) mithilfe von Diktaten erfasst.

Obwohl für die Lösung von Fehleridentifikationsaufgaben andere kognitive Prozesse erforderlich sind als für die Rechtschreibproduktion (Endlich, Lenhard, Marx & Richter, 2021), belegen nationale (u.a. Lenhart et al., 2019; Schneider, Martinez Méndez & Hasselhorn, 2014) und internationale (u.a. Frisbie & Cantor, 1995; Westwood, 1999) Studien hohe Zusammenhänge zwischen beiden Leistungen, sowohl für den Primar- als auch für den Sekundarbereich.

Für die Lernverlaufsdiagnostik bieten Fehleridentifikationsaufgaben ein hohes Potenzial:

  1. Die Durchführungs- und Auswertungsökonomie ist höher als bei Diktaten.
  2. Fehler durch falsche bzw. unverständliche Diktate der Lehrkraft werden vermieden, wodurch die Durchführungsobjektivität steigt.
  3. Das Problem der geringen Auswertungsobjektivität von Diktaten (u.a. Birkel, 2009) wird überwunden.
  4. Alle genannten Vorteile können durch eine computergestützte Umsetzung zusätzlich verstärkt werden, welche bereits ab dem frühen Grundschulalter möglich ist (Endlich et al., 2021).

Bisher ist nicht bekannt, ob Fehleridentifikationstests ein geeigneter Indikator zur Lernverlaufsdiagnostik sind. Dafür ist insbesondere deren Änderungssensitivität entscheidend. Um diese Forschungslücke zu schließen, werden aktuell parallele, curriculumbasierte Testversionen für die Klassenstufen 5 und 6 konstruiert. Anschließend wird die psychometrische Güte der entwickelten Messverfahren überprüft.

Hier gelangen Sie zur Darstellung des Projektes in der Forschungsdatenbank der Europa-Universität Flensburg.

Literatur

Birkel, P. (2009). Rechtschreibleistung im Diktat - eine objektiv beurteilbare Leistung? Didaktik Deutsch, 27, 5-32.

Blumenthal, S., Sikora, S. & Mahlau, K. (2021). Lernverlaufsdiagnostik im Rechtschreibunterricht der Grundschule. Konstruktion und Güte eines curriculumbasierten Messverfahrens. Diagnostica. https://doi.org/10.1026/0012-1924/a000261

Endlich, D., Lenhard, W., Marx, P. & Richter, T. (2021). Tablet-basierter Fehleridentifikationstest zur ökonomischen und validen Erfassung von Rechtschreibfähigkeiten in der Grundschule. Lernen und Lernstörungen, 10 (1), 29-42. https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000324

Frisbie, D. A. & Cantor, N. K. (1995). The validity of scores from alternative methods of assessing spelling achievement. Journal of Educational Measurement, 32 (1), 55-78. https://doi.org/10.1111/j.1745-3984.1995.tb00456.x

Howard, S. J. , Burianová, H. , Calleia, A. , Fynes-Clinton, S. , Kervin, L. & Bokosmaty, S. (2017). The method of educational assessment affects children's neural processing and performance: Behavioural and fMRI Evidence. npj Science of Learning , 2 (10), 1-7. https://doi.org/10.1038/s41539-017-0010-9

Lenhart, M., Marx, P., Segerer, R. & Schneider, W. (2019). Rechtschreibung ohne Schreiben. Messen Fehleridentifikation und Diktat dasselbe? Diagnostica, 65 (4), 216-227. https://doi.org/10.1026/0012-1924/a000229

May, P., Malitzky, V. & Vieluf, U. (2022). HSP 1-10. Hamburger Schreib-Probe. Handbuch Diagnose orthografischer Kompetenz. Stuttgart: Klett.

Schneider, M., Martinez Méndez, R. & Hasselhorn, M. (2014). Fehleridentifikationstest - Rechtschreibung  für  fünfte  und  sechste  Klassen  (R-FIT 5-6+). Göttingen: Hogrefe.

Westwood, P. (1999). The correlation between results from different types of spelling test and children’s spelling ability when writing. Australian Journal of Learning Disabilities, 4 (1), 31-36. https://doi.org/10.1080/19404159909546584