3. Konferenz des Netzwerks Fluchtforschung in Köln

17.-19. September 2020

Auf der 3. Konferenz des Netzwerks Fluchtforschung unter dem Titel "Kontexte von Flucht, Schutz und Alltag Geflüchteter" nahmen präsentierten Emma Marx, Katja Holz und Holger Jahnke in zwei Panels Ergebnisse aus dem Projekt "Bildung und Flucht".

Emma Marx hielt einen Vortrag zum Thema "Der duale Imperativ partizipativer Forschung zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Erfahrungen und Reflektionen von theater- und medienpädagogischen Workshops"

Abstract:

Im Kontext von Fluchtforschung werden geflüchtete Menschen oft zu Forschungsobjekten degradiert und bekommen nur selten die Möglichkeit, sich außerhalb von weitgehend standardisierten Leitfaden- und Gruppeninterviews selbst zu äußern. Ein aktives Einbeziehen der Perspektiven, Wissensbestände und Kompetenzen geflüchteter Personen ist allerdings grundlegend, um in Hinblick auf Teilhabechancen und Demokratisierungsprozesse Veränderungen herbeizuführen.

Gerade jugendliche Geflüchtete sind mit einer besonders schwierigen Situation konfrontiert: Die üblichen Unsicherheiten in der Adoleszenz werden hier durch fehlende sprachliche Kommunikationsfähigkeiten verstärkt, was zu einem Empfinden verringerter Selbstwirksamkeit führen kann. Strukturell fehlen jedoch Räume und Zeiten, in denen die Jugendlichen dazu aufgefordert werden, sich der eigenen (neuen) sozialen und räumlichen Positionalitäten bewusst zu werden und ihnen Ausdruck zu verleihen.

Im Sinne des ‚dualen Imperativs‘, welcher an (partizipative) Forschung sowohl einen wissenschaftlichen als auch gesellschaftspolitischen und Anspruch richtet (vgl. Jacobsen & Landau 2003), wurden im Projekt ‚Bildung und Flucht‘ insgesamt vier Theater- und Videoworkshops in Deutschland und Dänemark durchgeführt. Das Ziel war die Festigung der Kommunikations- und Partizipationskompetenz jugendlicher Geflüchteter in ihrem jeweiligen Lebenskontext. Als Ergebnis wurden zwei Videos produziert, die in öffentlichen Workshops mit Akteur*innen aus Institutionen und Zivilgesellschaft gezeigt wurden, um einen Dialog auf Augenhöhe sowie das wechselseitige Verständnis zwischen den jungen Geflüchteten und den institutionell Handelnden zu befördern. Im Vortrag werden die konzeptionellen Gedanken der theater- und medienpädagogischen Workshops vorgestellt und die praktischen Erfahrungen vor dem normativen Anspruch des ‚dualen Imperativs‘ der partizipativen Fluchtforschung reflektiert.

Der Vortrag fügte sich in das Panel "Partizipation Geflüchteter in der Wissensproduktion" ein, in dem Holger Jahnke (Projektleiter Bildung und Flucht, EUF) moderierte. Der Vortrag konnte einen Beitrag zur partizipativen Forschung im Fluchtkontext leisten.

Einen weiteren Vortrag zum Thema "Zwischen Anpassung und Widerstand" hielt Katja Holz

Abstract:

Migrations- und Fluchterfahrungen können gerade für junge Menschen entscheidende Auswirkungen auf die Bildungsbiographien haben. Bildungserfahrungen und -abschlüsse aus dem Herkunftsland werden im Ankunftskontext einer grundlegenden Neubewertung unterzogen, die ein erhöhtes Risiko von gebrochenen Bildungsbiographien in sich trägt. Dieses variiert in Abhängigkeit von den aufnehmenden Bildungssystemen, welche sowohl bezüglich der Anerkennung vorhandener Zertifikate und Bildungserfahrungen als auch der Gestaltungsmöglichkeiten individualisierter Bildungsangebote deutliche Unterschiede zeigen.

Geflüchtete am Übergang von der Jugend in das Erwachsenenalter sind vor besondere Herausforderungen gestellt, da sie ihre Bildungsbiographien und -aspirationen in einem Kontext sprachlich-kultureller Fremdheit und ungewisser Zukunftsaussichten neu ausrichten müssen. Hierbei können sie weniger auf tradiertes Erfahrungswissen von Eltern, Freunden und Verwandten zurückgreifen, so dass sie in besonderer Weise auf Hilfe im Ankunftskontext angewiesen sind. In dieser Situation werden von den Betroffenen enorme Anpassungsleistungen verlangt, um den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Bildungs- und Gesellschaftssystems im Aufnahmeland zu genügen.

Der Vortrag beleuchtet die Anpassungsprozesse individueller Bildungsbiographien und Zukunftsaspirationen junger Geflüchteter zwischen dem Herkunftsland und dem aktuellen Lebenskontext. Dabei richtet sich der Fokus auf die Fragen, wie diese Anpassungsprozesse erlebt werden und welche Personen entscheidenden Einfluss auf die Neuorientierung der Bildungsbiographien haben.

Präsentiert werden empirische Ergebnisse aus zwei ländlichen Gemeinden im deutsch-dänischen Grenzgebiet, die in semi-strukturierten Gruppeninterviews mit jungen Geflüchteten im Rahmen des Projekts "Bildung und Flucht" gewonnen wurden. Diese werden vor dem Hintergrund zweier sehr unterschiedlicher Bildungssysteme und Integrationsstrukturen in Deutschland und Dänemark reflektiert und einander vergleichend gegenübergestellt.

Der Vortrag fügte sich in das Panel "Übergänge im Leben junger Geflüchteter" ein, in dem ebenfalls Holger Jahnke (Projektleiter Bildung und Flucht, EUF) moderierte. Die präsentierten Ergebnisse zu Anpassungsprozesse und Neuorientierung junger Geflüchteter konnten einen Beitrag zur Bewältigung von Übergängen in der Biographie junger Menschen mit Fluchthintergrund leisten.

Die 3. Konferenz des Netzwerks Fluchtforschung stand unter dem Titel "Kontexte von Flucht, Schutz und Alltag Geflüchteter" und machte ein breites Feld an Thematiken zu Flucht und Fluchtforschung auf. Ziel der Tagung war es in Form eines internationalen Forums aktuelle Forschungsergebnisse, die Förderung eines interdisziplinären Austauschs und Kooperationen digital zu ermöglichen. Forscher*innen im Bereich der Flucht- und Flüchtlingsforschung wurde eine Plattform für Diskussion und Vernetzung geboten, welche von den beiden Forscherinnen des Projekts "Bildung und Flucht" zum fachlichen Austausch mit den anderen Teilnehmenden bzgl. gemeinsamer Erfahrungen und Erkenntnisse genutzt wurde.