Vortrag beim Deutschen Korngress für Geographie in Kiel
25. – 30. September 2019
Beim Deutschen Kongress für Geographie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hielt Katja Holz einen Vortrag mit dem Titel "Zugangsmöglichkeiten Geflüchteter zu Bildungsangeboten in ländlichen Räumen Dänemarks – Sichtweisen von Akteuren und Geflüchteten" im Rahmen der Session "Neue Zuwanderung und lokale Integrationspraktiken in ländlichen Räumen". Magdalena Jäger beschäftigte sich in derselben Session mit dem Thema "Partizipative Forschung als Möglichkeit der Stärkung lokaler Aushandlungsprozesse und Partizipationsmöglichkeiten Geflüchteter im ländlichen Raum" und diskutierte dabei Möglichkeiten und Grenzen partizipativer Forschung anhand von praktischen Erfahrungen aus dem Projekt.
Der Deutsche Kongress für Geographie stand 2019 unter dem Titel "Umbrüche und Aufbrüche – Geographie(n) der Zukunft". Neben dem fachdisziplinären Diskurs über Themen und Aktionsfelder der Geographie, ging es auch darum, alle Dimensionen geographischen Wirkens miteinzubeziehen. Dazu gehört neben der wissenschaftlich-forschenden auch die gesellschaftlich-aktivistische Perspektive der Disziplin. Insofern passten sowohl der Vortrag von Katja Holz, als auch der von Magdalena Jäger, sowie das Projekt in seiner grundsätzlichen Ausrichtung auf beide Aspekte, gut ins Programm.
Die Session "Neue Zuwanderung und lokale Integrationspraktiken in ländlichen Räumen", moderiert durch Holger Jahnke (Projektleiter Bildung und Flucht, EUF) und Tobias Weidinger (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), behandelte lokale Integrationspraktiken und Prozesse der Inklusion und Exklusion vor dem Hintergrund neuer Formen der Zuwanderung. In diesem Zusammenhang wurden Spezifika ländlicher Räume herausgearbeitet.
Neben den oben genannten Vorträgen, präsentierte Stefan Kordel und Tobias Weidinger (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) einen Beitrag zum Thema "(Nicht)Zugang zu Wohnraum: Geflüchtete als Akteur*innen in ländlichen Wohnungsmärkten", in dem sie die Perspektiven der Geflüchteten und lokalen Akteur*innen auf den (Nicht-)Zugang zu Wohnraum beleuchteten. Außerdem referierten Miriam Bürer und Hanne Schneider von der TU Chemnitz unter dem Titel "Zuwanderung (un)erwünscht? Einstellungen zu Migration in ländlichen Räumen" über erste empirische Erkenntnisse zu gesellschaftlichen Einstellungen als Grundlage von lokalen Integrationsprozessen in ländlichen Räumen, wobei sie Bezug auf das Konzept der Rezeptivität nahmen. In einer an die Session anschließenden Diskussion tauschten sich die Teilnehmer_innen über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse bezüglich der Forschung mit geflüchteten Menschen im ländlichen Raum aus. Dabei konnten Gemeinsamkeiten festgestellt werden.
Abstract zu "Zugangsmöglichkeiten Geflüchteter zu Bildungsangeboten in ländlichen Räumen Dänemarks – Sichtweisen von Akteuren und Geflüchteten"
Schulische und berufliche Bildung spielen in den meisten Wohlfahrtsstaaten für das einzelne Individuum eine zentrale Rolle, da diese den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und die Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten. Hiervon sind auch junge Geflüchtete in ländlichen Räumen Dänemarks nicht ausgenommen. Die Gestaltung von Zugängen für Einwander*innen zu Bildungsangeboten ist deshalb von wesentlicher Bedeutung.
Dies entspricht auch dem aktuellen integrationspolitischen Leitbild Dänemarks, dem zufolge Einwander*innen zeitnah die dänische Sprache erlernen und mit den gesellschaftlichen Normen und Regeln vertraut gemacht werden sollen. Ziel ist es, schnellstmöglich in ein Arbeitsverhältnis zu kommen und sich selbst versorgen zu können.
Der Vortrag beleuchtet nationale Steuerungsmechanismen von Zugängen zum dänischen Bildungssystem und deren konkrete Ausgestaltung auf kommunaler Ebene. Durch nationale Verteilungsprinzipien werden insbesondere die ländlichen Räume Dänemarks zum kurz- oder langfristigen Wohnort für Geflüchtete. Hier stellt der Aufbau von adäquaten Bildungsangeboten eine besondere Herausforderung dar.
Im Fokus des Vortrags stehen empirische Ergebnisse aus einer dänischen Kommune im ländlichen deutsch-dänischen Grenzgebiet. Diese basieren auf Dokumentenanalysen, qualitativen Interviews mit institutionellen und zivilgesellschaftlichen Schlüsselakteuren sowie mit jungen Geflüchteten hinsichtlich ihrer Sichtweisen auf Bildungszugänge und Partizipationsmöglichkeiten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Steuerung von Bildungszugängen auf nationaler Ebene erfolgt, wohingegen die Umsetzung der Kommune obliegt. Welche Auswirkungen klare Vorgaben und Regulierungen diesbezüglich auf die kommunale Struktur und die lokalen Akteure haben, wird am vorgestellten Beispiel deutlich.
Die Erhebungen sind Teil eines größeren grenzübergreifenden Forschungsprojekts zu Bildungszugängen und Partizipationsmöglichkeiten junger Geflüchteter in zwei ländlichen Gemeinden in Deutschland und Dänemark.
Abstract zu "Eine kritische Auseinandersetzung mit partizipativer Forschung zur Stärkung lokaler Aushandlungsprozesse und Partizipationsmöglichkeiten Geflüchteter in ländlichen Räumen"
Die Ankunft Geflüchteter in Deutschland löst Debatten über lokale Umsetzungspraktiken von Integration und Partizipation und neue Formen des Miteinanders aus, welche auch in wissenschaftlichen Bereichen immer relevantere Forschungsfelder darstellen. Die Fragen, welche Rolle eine wissenschaftliche Begleitung in gesellschaftlichen Prozessen spielt und welchen Beitrag sie zur Stärkung von Aushandlungsprozessen hinsichtlich Integrationszugängen und Partizipationsmöglichkeiten leisten kann, geraten dabei in den Hintergrund.
Im Vortrag soll die Frage nach Inhalten und Zielen einer partizipativen Forschung mit Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt zu Partizipationsmöglichkeiten und Bildungszugängen junger Geflüchteter in zwei ländlichen Gemeinden im deutsch-dänischen Grenzgebiet verbunden und dadurch beantwortet werden. Anhand intensiver Zusammenarbeit mit Projektpartner*innen vor Ort und der Durchführung von Workshops mit lokalen Akteur*innen im deutschen Forschungsgebiet erfolgt ein umfassender Austausch zwischen Theorie und Praxis. Dabei zeigt das Forschungsprojekt exemplarisch, dass nicht nur Wissen, Erfahrungen und Sichtweisen aus der Praxis wissenschaftlich aufgegriffen, sondern andersherum auch deren theoretische Fundierung involvierten Akteur*innen widergespiegelt werden können. Forschung löst sich dabei vom Anspruch der rein objektiven Beobachtung, nimmt bewusst Einfluss auf das lokale Interaktionsfeld und regt dieses zur Weiterentwicklung an.
Aus Theorie und praktischen Erfahrungen lassen sich Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren eines partizipativen Forschungsstils ableiten, welche im Rahmen des Vortrags diskutiert werden. Ziel dabei ist es, Umsetzungsmöglichkeiten dieser Forschungsansprüche realistisch zu beleuchten. Zu erwarten ist die Forderung einer hohen Flexibilität des Forschungsrahmens, die eine Verknüpfung von Handeln, Forschen und Reflexion und die aktive Mitgestaltung von Akteur*innen aus der Praxis überhaupt möglich macht. Die Zusammenarbeit zwischen Forscher*innen und Akteur*innen ist u.a. durch unterschiedliche Interessen angesichts der Forschung und einem Sympathisieren mit bestimmten Personen geprägt. Nicht zuletzt sind die Rahmenbedingungen des Untersuchungsgebiets zu beachten. Hierbei lassen sich Spezifika ländlicher Räume herausarbeiten, die aufgrund persönlicher Beziehungsstrukturen einerseits eine gute Ausgangssituation zur Vernetzung und Wirkungskraft vor Ort bieten, andererseits die Gefahr des Übergehens ‚lokaler Ordnung‘ bergen.