NWG ACCESS - Institutionelle Hürden bei Studienentscheidungen – soziale Ungleichheit, Zulassungsverfahren und ihre Folgen.
Das Projekt untersucht die Frage, welche Rolle Zulassungsverfahren für die Entstehung sozialer Ungleichheit bei Hochschulzugang und Studiengangwahl spielen. Dabei geht es innovative Wege bei der theoretischen Einbindung, empirischen Messung und statistischen Analyse von Zulassungsverfahren und deren Rolle bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit in Deutschland und im internationalen Vergleich.
- Stichworte
- Studierentscheidung, Studiengangwahl, soziale Ungleichheit, Auswahlverfahren
- Laufzeit
- 01.04.2021 - 31.03.2026
- Institutionen der EUF
- Seminar für Sozialstrukturanalyse, empirische Methoden und Statistik, Interdisziplinäres Europaforschungszentrum (ICES)
Kurzübersicht
Beschreibung
Die empirischen Analysen basieren auf vorliegenden Informationen zu Auswahlverfahren aller örtlich zulassungsbeschränkten Studiengänge zwischen 2005 und 2018 und den Auswahlkriterien und -grenzen aller zentral zulassungsbeschränkten Studiengänge seit 1973. Diese Institutionendaten werden erstmals mit längsschnittlichen Individualdaten von Studienberechtigten und Studierenden verbunden. Zur Beschreibung der Wirkung von Zulassungsverfahren auf die Zusammensetzung von Studierendenjahrgängen sollen verschiedene Reformen rund um Zulassungsbedingungen längsschnittlich analysiert werden. Zur Analyse des konkreten Zusammenhangs zwischen Zulassungskriterien und Studiengangwahl werden Mediations- und Moderationsanalysen mit gepoolten Querschnittsdaten durchgeführt. Der internationale Vergleich dient der Bestimmung der Stärke des Ungleichheitseffekts von Zulassungsverfahren für ausgewählte Studiengänge. Kontrafaktische Verteilungsanalysen illustrieren die Effekte alternativer Zulassungsregimes. Die Gruppe erweitert die empirische Bildungsforschung um eine innovative Perspektive und evaluiert für die Hochschulpolitik die Ungleichheitswirkung von Zulassungsverfahren.
Teilprojekt (TP) 1: Datenaufbereitung und -sammlung (Verantwortung: Florian Hertel, Team: Marco Nieland, MA Ed., Giulia Hahner, Alexander Goletzko)
In TP1 (Datenaufbereitung und -sammlung) bereiten alle Gruppenmitglieder die institutionellen Daten zur Analyse vor. Die Daten des Hochschulkompass mit Angaben zu örtlichen Zulassungsbeschränkungen für jährlich 9.000 bis 11.000 Studiengängen zwischen 2005 und 2018 stehen dem Projekt zur Verfügung und werden jährlich aktualisiert. Damit liegen Angaben zur Existenz von (örtlichen und zentralen) Zulassungsverfahren von über 126.000 Studiengängen vor. Die im ZV vergebenen Studiengänge liegen mit den ZVS Daten bis zum WiSe 2017 vor und müssen zunächst aktualisiert werden. Daneben existieren Angaben zu den seit 2000 von der ZVS (oder SfH) durchgeführten örtlichen Zulassungsverfahren. Insgesamt liegen damit detaillierte Informationen zu mindestens zwei Auswahlkriterien und -grenzen aus rund 12.000 Zulassungsverfahren vor.
Teilprojekt 2: Theoretische Modellbildung; (Verantwortung: Florian Hertel)
In TP2 (Theoretische Modellbildung) entwickelt der Leiter in Kooperation mit den Promovierenden das zentrale theoretische Modell (2.1). Ziel ist die Erweiterung gängiger RCModelle um ressourcen-sensible institutionelle Auswahlmechanismen als Kontext rationaler Bildungsentscheidungen (Breen/Goldthorpe 1997; Esser 1999). Dabei muss vor allem der Totalität der Auswahlgrenze und der Gatekeeper Rolle von Zulassungsverfahren Rechnung getragen werden (Lohmann/Groh-Samberg 2010; Lucas 2017). Zudem spielen hier nicht nur aktuelle Entscheidungssituationen, sondern auch das auf Antizipation zukünftiger Auswahlgrenzen gerichtete Investitionsverhalten eine gewichtige Rolle (Alon 2007; Breen et al. 2014). Die theoretischen Arbeiten können sinnvoll mit einem Forschungsaufenthalt am EUI 2021/22 verbunden werden. In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung von Zulassungsvoraussetzungen in landesrechtlichen Vergabeverordnungen über die Zeit aufgearbeitet und mit dem bundeseinheitlichen Zugangsrecht unter Aspekten der Chancengleichheit kontrastiert (2.2). Die so ausgearbeiteten institutionellen Veränderungen fachspezifischer sozialer Schließung werden in einem weiteren empirischen Projekt benutzt um die Verteilungswirkung von Veränderungen der Zulassungsverfahren über die Zeit auf die
Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung zu simulieren (2.3). Hierfür werden Zulassungsprofile für jeden Studiengang, Übergangsmatrizen nach dem Studium auf Basis von Absolvierendenbefragungen und NEPS SC5 Daten, sowie die (alters- und berufsspezifische) Verteilung der Erwerbsbevölkerung im Mikrozensus miteinander verknüpft. Auf Basis dieser Daten wird dann mit erprobten kontrafaktischen Verteilungsanalysen der mögliche Einfluss von unterschiedlichen Zulassungsverfahren auf die Entwicklung des fachspezifischen Arbeitskräfteangebots (z.B. Ärzte auf dem Land) modelliert (Cunha et al. 2006; Erikson et al. 2005; Jaeger/Karlsson 2018).
Teilprojekt 3 (Studienentscheidung im Längsschnitt) Verantwortlicher N.N.
Das erste Promotionsprojekt erforscht in TP3 (Studienentscheidung im Längsschnitt) den längsschnittlichen Zusammenhang von Zugangsbedingungen und Entscheidungen für ein Hochschulstudium. Veränderungen in der Selektivität nach gesetzlichen Reformen speziell
von Zulassungsverfahren erlauben den (kausalen) Ungleichheitseffekt quasiexperimentell zu identifizieren (3.1). In den Analysen zu 3.1 können sowohl ZVS als auch Hochschulkompass Daten in Verbindung mit konsekutiven Befragungen von Studienberechtigten und den NEPS SC4 Daten verwendet werden, um den Zusammenhang zwischen Ressourcenausstattung, HZB-Typ, Zulassungskriterien und Studienaufnahme in Abschlussklassen vor und nach den Reformen 1998, 2002, 2004 und (wenn bereits möglich) 2019 abzubilden (z.B. mit Panelregressionen, Regressions-Diskontinuitäts-Analysen und DvD-Ansätzen nach Bernardi 2014; Betthäuser 2017; Rauscher 2015). Die Wirkung von Zulassungsbedingungen auf die Studienentscheidungen aufeinanderfolgender Studienberechtigtenkohorten wird anhand sich ausdifferenzierender Auswahlkriterien innerhalb derselben Studiengänge über die Zeit analysiert (3.2). Schließlich beschreiben kontrafaktische Analysen, wie sich Veränderungen der Zulassungsregime auf die Diversität der Studierenden auswirken können (3.3). Wo es in 3.2 und 3.3 um die Beschreibung der Zusammensetzung der Studierenden geht, können die Analysen – unter Berücksichtigung erfolgter Selektivität – auch auf die Angaben zeitlich passender Studienanfängerbefragungen, Sozialerhebungen oder Studierendensurveys zurückgreifen. Zugangskriterien werden hier über den ZVS Datensatz abgebildet.
Teilprojekt 4: Ungleichheit bei der Studiengangwahl (Verantwortung: Talke Cassing)
Das zweite Promotionsvorhaben erforscht in TP4 (Ungleichheit bei der Studiengangwahl) den Zusammenhang von Zulassungsvoraussetzungen und Studiengangwahl von Studienberechtigten. Zunächst werden Variationen in der Selektivität von Studiengängen im Querschnitt beschrieben (4.1). Dann wird der skizzierte Entscheidungsprozess von Studienberechtigten modelliert, um die Wirkung unterschiedlicher Ressourcen bei der Fächerwahl im Übergang ins Studium zu bestimmen (4.2). Schließlich werden Veränderungen in der Höhe der Zulassungshürden analysiert, um die Effekte stärkeren Wettbewerbs auf soziale Ungleichheit zu quantifizieren (4.3). Für alle drei Arbeitspakete werden die über die Zeit hinweg gepoolten und mit den ZVS Daten verbundenen Studienberechtigtenbefragungen der Wellen vor und nach der Studienaufnahme analysiert. Methodisch werden hier vor allem diskrete Wahlmodelle (logistische Regressionen) angewendet um die Prozesse der Studiengangwahl zu untersuchen (Temme 2007; Mood 2010). Im Mittelpunkt steht erstens die Identifikation möglicher Mediationseffekte der unterschiedlichen Auswahlkriterien bei der Erklärung von Ressourceneffekten auf die Studiengangwahl und zweitens mögliche Moderationsbeziehungen der Auswahlgrenzen innerhalb dieses Zusammenhangs.
TP5: Internationaler Vergleich (Verantwortung: Vivien Sommer )
Das TP 5 des Projekts "ACCESS" zielt darauf ab, die Rolle institutioneller Hürden für die Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Hochschulzugang international vergleichend zu erforschen. Vor dem Hintergrund erster einfacher Analysen auf Basis des ESS, die zeigen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Hochschulzugang zwischen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt ist, stellt sich die Frage, ob oder inwieweit sich Länderunterschiede im Ausmaß der sozialen Ungleichheit beim Hochschulzugang durch Unterschiede in den Zulassungsverfahren (institutionellen Hürden) erklären lassen. Da sich die verfügbaren Daten zu Länderunterschieden in Zulassungssystemen als entweder nicht verlässlich genug (OECD) oder zu oberflächlich bzw. geographisch zu beschränkt (EU Kommission) ergaben, entschieden wir die benötigten Daten mittels eines Fragebogens selbst zu erheben. Mittlerweile haben wir 33 Expert*inneninterviews erhoben, um die typische Zulassungswege an die Universität vergleichend analysieren zu können. In einem ersten Schritt haben wir mittels einer qualitativen Analyse eine Typologie von alternativen Zulassungsregimen rekonstruiert. In einem zweiten Schritt korrelieren wir diese Regime mit Zugangsungleichheiten in den 33 europeäischen und anderen OECD Ländern. Kontrafaktische Analysen ergänzen diese deskriptiven Analysen um zu eruieren, welche Muster sozialer Ungleichheit unter alternativen Zulassungskriterien zu beobachten wären.
Verantwortlich
Prof. Dr.Florian Hertel
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Projektmitarbeitende
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Elena Chechik
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Dr.Amanda Domingos
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Finanzierung
gefördert durch Bundesministerium für Bildung und Forschung