Daniela Hadem-Kälber: Urban Gardening und partizipative Stadtgestaltung
Gärtnern in der Stadt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Trend entwickelt. Die Motive der Gärtner sind dabei so vielfältig wie die Erscheinungsformen der Gärten. So gibt es in Deutschland mittlerweile rund 200 sog. Interkulturelle Gärten, in denen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Milieus miteinander Obst, Gemüse und Blumen für den eigenen Verbrauch oder auch Tausch und Verkauf anpflanzen. Daneben existiert eine wachsende Zahl an Gemeinschaftsgartenprojekten. Urban Gardening stellt sich als eine äußerst heterogene Bewegung dar, der zuletzt vor dem Hintergrund der ökologischen Krise und im Hinblick auf die Verknappung endlicher Rohstoffe große Aufmerksamkeit zuteil wird. Diese Stadtgärten erheben den Anspruch, nachbarschaftliches Bewusstsein zu fördern und Generationen und Kulturen auf eine radikale Weise zu verbinden. Um diese Anliegen zu profilieren, sich auszutauschen und voneinander zu lernen, nutzen die Aktivisten häufig soziale Netzwerke, sowohl herkömmlicher Art als auch in Form von social media.
Das Phänomen des öffentlichen Gärtnerns inmitten der Großstadt steht in direkter Verbindung zu Aushandlungsprozessen um Besitzansprüche und Nutzungsmöglichkeiten urbaner Räume. Zwei Merkmale unterscheiden Urban Gardening hierbei besonders markant von Phänomenen wie dem Kleingarten (Rückzugsraum) oder auch dem Gemüsegärtnern auf Grünstreifen in der DDR (angeleitete Selbstversorgung): Die Taktik des spontanen Aneignens, bekannt unter dem Namen Guerilla Gärtnern und die Betonung des Unvollständigen, Veränderlichen und Beweglichen durch gezielten Aufbau mobiler Gärten. Bei diesen beiden Formen von Urban Gardening setzen sich die Gärtner in der Praxis mit realen Machtbeziehungen und für die Zukunft gewünschten Veränderungen auseinander.
In der alltäglichen Praxis der Stadtgärten werden – so die forschungsleitende Annahme – neuartige Formen demokratischer Aushandlung erprobt. So warten die Gärtner z.B. meist nicht, bis die Kommune Partizipation für bestimmte Projekte anbietet, sondern beginnen von sich aus den Dialog mit Anwohnern, Verwaltung, potentiellen Geldgebern oder Politikern. Viele Projekte versuchen sich zu legitimieren, indem sie z.B. Bildungsangebote bereitstellen.
Ob als mobiler Garten oder mit einer langfristigen Pachtvereinbarung - die Gemeinschaftsgärtner stellen sich häufig als Vertreter eines sich verändernden gesellschaftlichen Bewusstseins dar, das seit kurzer Zeit auch von politischen Akteuren und in planungsbezogenen Fachbereichen zunehmend positiv konnotiert wird.
In meinem Vorhaben werden Gärten in drei Städten untersucht, in denen Urban Gardening in denen Urban Gardening (1.) bereits institutionell verankert ist, (2.) sich im Institutionalisierungsprozess befindet bzw. mittelstark ausgeprägt ist und (3.) entsprechende Projekte gescheitert sind.
Der explorative Charakter der Untersuchung fordert, die relevanten Quellen vorwiegend im Feld zu gewinnen. Daher werden Interviews mit Vertretern von Garteninitiativen, Politik, Verwaltung und Wissenschaft geführt. Aus diesen Materialien sowie Feldnotizen werden mithilfe der von STRAUSS/GLASER in den 1960er Jahren entworfene Ground-Theory-Methodologie (GTM) Hypothesen und Konzepte erarbeitet. Um den diskursiven Strukturen des Feldes besser gerecht zu werden, reichere ich die GTM mit konstruktivistischen Ansätzen an (u.a. CLARKE). Das Material wird nach einer ersten offenen Kodierung in ein dreistufiges Mapping übersetzt (Situational Maps, Social World & Area Maps/ Positional Maps) mit dem Ziel, Forschungssituationen zu konstruieren. Diese Technik ermöglicht, "gelebte Situationen und die Vielfalt der Positionalitäten und menschlichen und nicht-menschlichen Aktivitäten und Diskurse zu repräsentieren" (CLARKE 2010 [2005]). Die zentralen Fragen sind hierbei:
1) Welche Interessensgruppen sind am Urban Gardening direkt und indirekt beteiligt? Was sind die Hauptthemen? Was sind die umstrittenen Themen? Welche politischen und ökologischen Konzepte, soziokulturellen und symbolischen Elemente sind sichtbar? Welche Akteure sind nicht direkt sichtbar?
2) Welche Konflikte und Konfliktlinien gibt es? Wie läuft Partizipation in den Garteninitiativen ab? Wie sind die Machtbeziehungen (Zwänge, Möglichkeiten und Perspektiven) im Feld?
3) Wann wird Partizipation wirksam? Wie ist die Debatte um partizipative Stadtgestaltung gesellschaftlich zu verorten?
Um Prozesse der Übersetzungen von schlichten Neuerungen in soziale Innovationen zu fassen, werden soziale Praktiken, Grammatiken und Semantiken der Partizipation daraufhin befragt, ob sie eine Neukombination bzw. Neukonfiguration darstellen, welche zum Ziel hat, Probleme oder Bedürfnisse "besser" zu lösen. Damit ordnet sich die Arbeit in das Forschungsfeld "soziale Innovationen" ein, welches im deutschsprachigen Raum erst seit wenigen Jahren intensiver diskutiert wird. Prozesse der Entwicklung und Verstetigung von gesellschaftlichen Innovationen können am Untersuchungsgegenstand Urban Gardening untersucht werden, da es sich hierbei um Initiativen handelt, die für eine "bessere Zukunft" eintreten. Die sozialwissenschaftliche Herangehensweise an Innovation als einem sozialen Prozess ermöglicht darüber hinaus, die zugrundeliegenden Machtverhältnisse und -mechanismen in die Untersuchung einzubeziehen. Nicht zuletzt lassen sich daher Aussagen darüber ableiten wie und unter welchen Bedingungen soziale Innovationen gelingen oder scheitern.