Harvey Fletchers Untersuchungen zur Brown'schen Molekularbewegung

Im Mittelpunkt des Projekts steht Harvey Fletcher, der 1909-1911 an den Forschungen seines Doktorvaters Robert A. Millikan in Chicago beteiligt war und diese später in Provo (Utah) selbstständig weiterführte. Das Vorhaben beleuchtet damit die Entwicklung und Durchführung eines zentralen Experiments in der Geschichte der Atomdebatte. Die experimentelle Praxis mit mehreren Untersuchungsgegenständen – die Bestimmung der Elementarladung und die thermische Bewegung von Teilchen – in einem Labor mit vielen Mitarbeitern an nur einem instrumentellen Aufbau wirft zahlreiche Fragen auf: Welche Mechanismen werden angewandt, um ein Experiment für unterschiedliche Fragestellungen zu stabilisieren? Was bedeutet es für die Aufnahme experimenteller Messreihen, wenn diese Daten für die Bewertung verschiedener Theorien genutzt werden sollen? Wie treffen Personen mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Kompetenzen im Labor aufeinander und beeinflussen die gemeinsame experimentelle Praxis?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden sowohl die Publikationen aus dem Ryerson-Laboratorium in Chicago als auch die vorhandenen Laborbücher und Briefe der Mitarbeiter aus der Zeit von 1908 bis 1920 ausgewertet. Darüber hinaus wird der Nachlass von Harvey Fletcher in Provo erstmals für diesen physikhistorischen Kontext erschlossen und verwendet. Für die Untersuchung der experimentellen Praxis besonders relevant, wird in diesem Projekt auch die materielle und handlungsbezogene Komponente berücksichtigt, indem ein quellengetreuer Nachbau eines der Öltröpfchen-Apparate miteinbezogen und im Nachvollzug reflektiert wird.

Die Analyse verbessert unser Verständnis dafür, wie Apparaturen und Experimente in der Physik die gleichzeitige Erforschung verschiedener Themen ermöglichen. Darüber erschließt sich uns, wie kollaboratives Arbeiten die Forschungspraxis im Labor prägt und überhaupt erst ermöglicht.