Material zur Vorlesung BWL 1: IHRM, FrSe 22

Fallstudie 1. Vorlesung

Eric Zander hatte sich auf seine neue Stelle gefreut: Er hatte seinen ersten Arbeitsvertrag nach dem Studium unterschrieben und würde nach einer Italienreise in der Unternehmensberatung Facts & Solutions im Recruiting tätig sein. Im Rahmen seiner Vorstellungsgespräche im Unternehmen hatte er erfahren, dass in den letzten Jahren im Schnitt 130 Mitarbeiter:innen neu eingestellt wurden. Der geschäftsführende Gesellschafter, Friedrich Tucher, war Mitte 60 und hatte begeistert vom Unternehmen, der guten Gemeinschaft und der Erfolgsgeschichte seit der Gründung 1970 erzählt. Stolz hatte er berichtet, dass noch viele Mitarbeiter:innen aus den Gründungsjahren dabei waren. Auch Erics Vorgänger im Recruiting, Wolfgang Hafer, war erst vor Kurzem altersbedingt ausgeschieden. Die Jungen hätten da nicht so ein Durchhaltevermögen und wären manchmal schwierig zu führen. "Aber das kriegt meine Führungsmannschaft schon hin", meinte Herr Tucher. In den Interviews hatte Eric ihm schon seine Ideen für einen modernen Medienmix bei der Personalbeschaffung erläutern können. Insbesondere Erics Einschätzung zu den Möglichkeiten der Social Media hatte Tucher hören wollen. Nach der Vertragsunterzeichnung hatte Eric voller Begeisterung alles über Facts & Solutions gelesen, was er in Presse und Internet gefunden hatte. Allerdings hatte er sich gewundert, dass bei der hohen Zahl von Neueinstellungen in der Presse seit Jahren immer die Mitarbeiterzahl 450 genannt wurde. "Schlecht recherchiert oder voneinander abgeschrieben", dachte er.


In seinen ersten Wochen bei Facts & Solutions war Eric dann vor allem mit der Rekrutierung neuer Mitarbeiter voll beschäftigt. Entgegen seiner Erwartungen gab es von seinem Vorgänger kaum Unterlagen zur Personalauswahl. Noch nicht einmal Interviewleitfäden konnte er finden. Außer Bewerbungsgesprächen waren bislang offenbar keine anderen Auswahlinstrumente eingesetzt worden. In einem Telefonat hatte ihm Wolfgang Hafer dann berichtet, dass die Gespräche immer intuitiv geführt worden waren. Bislang war Herr Tucher oft mit dabei gewesen. "Ja, ja, mit den Jahren werden Sie da auch ein Gefühl entwickeln, wer ins Haus passt. Und der Herr Tucher hat da auch sehr genaue Vorstellungen", hatte Hafer gemeint.


Dennoch ließ Eric seine Recherche nicht ruhen. Er fand heraus, dass es eine hohe durchschnittliche Betriebszugehörigkeit gab. Gleichzeitig sprachen die Zahlen für eine deutliche Frühfluktuation. Die meisten Kündigungen seitens der Mitarbeiter wurden am Ende der Probezeit oder innerhalb des ersten Jahres bei Facts & Solutions ausgesprochen. Etwa 20 Prozent der Verträge, die nach der Probezeit endeten, wurden vom Unternehmen gekündigt. Die Altersstruktur der Mitarbeiter:innen zeigte kaum jemanden über 60 Jahre. In der Altersgruppe zwischen 50 und 60 Jahren fanden sich 40 Prozent aller Mitarbeiter:innen.


Eric schüttelte den Kopf, als er die Ergebnisse überdachte. Darauf wäre er bei seinen ersten Recherchen nie gekommen, doch der erste persönliche Auftrag von Herrn Tucher an ihn hatte schon in diese Richtung gedeutet. "Von den neuen Mitarbeitern wünsche ich mir mehr Beständigkeit. Machen Sie mir da doch bald mal einen Vorschlag", hatte Tucher Eric vor drei Wochen gebeten. Am kommenden Montag hatte er nun einen Termin, um sein Konzept gemeinsam mit seinem Chef Julian Hörnschemeyer, dem Personalleiter, bei Herrn Tucher vorzustellen.

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 15 - 16

Leitende Fragen

  • Aus wessen Rolle heraus wird argumentiert?
  • Was ist die primäre Aufgabe?
  • Welche Herausforderungen und Probleme können identifiziert werden (grundlegend/unmittelbar)?
  • Welche Informationen fehlen mir?
    • Sie dürfen den Fall weiterdenken und (realistische!) Zusatzannahmen treffen.
  • Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es? Welche erscheint als die beste?
  • Warum?
  • Was sind Vor- und Nachteile dieser Entscheidung?
  • Was fehlt Ihnen an Wissen (nicht Hintergrundinformation über das Unternehmen, sondern Wissen), um fundierte Entscheidungen treffen zu können?
  • Wo könnten Sie sich, wenn Sie in der Situation von Eric Zander wären, dieses Wissen aneignen?
  • Denken Sie auch an unsere Themensammlung – welche Themenbereiche werden in dem vorliegenden Fall berührt?

Fallstudie 2. Vorlesung

Alles in Ordnung bei numbers & more – 360° im Blick?

Fall als PDF

Die "numbers & more AG" (n&m) ist ein internationales Steuerberatungsunternehmen. In Deutschland arbeitet das Unternehmen mit 450 Mitarbeitern in sechs Niederlassungen. Wegen der wachsenden Probleme qualifizierten Nachwuchs zu finden und zu binden, erfährt die Mitarbeiterführung im Unternehmen zunehmende Aufmerksamkeit von der Konzernspitze. Wie in rund 80 Prozent aller großen Unternehmen in Deutschland gibt es bei n&m ein 360° Feedback als Instrument der Führungskräfteentwicklung.

Das 360° Feedback wurde 2008 mit Hilfe des externen Anbieters checkXX entwickelt und wird seitdem jährlich durchgeführt. Explizites Ziel ist es, das individuelle Führungsverhalten zu erfassen und zu verbessern. Zudem soll festgestellt werden, wie die Führungskräfte die Unternehmenswerte von n&m umsetzen.

Die Unternehmenswerte:

  • Integrität 
  • Zusammenarbeit
  • Offene und ehrliche Kommunikation
  • Lebenslanges Lernen und aktives Lehren
  • Wertschätzung und Respekt
  • Commitment und Verantwortungsübernahme

Das 360° Feedback läuft folgendermaßen ab:

Anfang Mai des Jahres werden die Führungskräfte per E-Mail zur Teilnahme aufgefordert und über den Ablauf informiert. Jede Führungskraft entscheidet, ob sie teilnehmen möchte. Dazu wählt sie gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten die Mitarbeiter aus, bei denen sie Feedback anfragt.

Anschließend werden alle angefragten Mitarbeiter von checkXX per E-Mail aufgefordert, ihre Beurteilungen innerhalb von 20 Tagen abzugeben. In der E-Mail wird das Verfahren erklärt und Verhaltensregeln erläutert. Aufgrund der wechselnden Projekte, in denen die Mitarbeiter tätig sind, kann es sein, dass der einzelne Mitarbeiter aufgefordert wird, jede Führungskraft seines Bereichs zu beurteilen. Zeitgleich mit der Bewertung durch die Mitarbeiter geben die Führungkräfte ihre Selbsteinschätzung ab.

Durchgeführt wird die Evaluation (Selbst- und Fremdeinschätzung) im Internet. Der Online-Fragebogen (s. "Die Fragen im 360° Feedback") wird von checkXX zur Verfügung gestellt. So wird zudem die Anonymität der Daten und ihrer Auswertung gewährleistet. Das Ausfüllen eines Fragebogens dauert circa 15 Minuten.

Vor dem ersten Wochenende im Juni erhalten die evaluierten Führungskräfte einen schriftlichen, detaillierten Bericht (s. "Der Bericht über das 360° Feedback"). Voraussetzung ist, dass mindestens drei Mitarbeiter den Fragebogen für sie ausgefüllt haben. Kurz darauf erhalten ihre Vorgesetzten ebenfalls den Bericht. Im Anschluss können die Führungskräfte einen Coach in Anspruch nehmen. Neben dem 360° Feedback wird jährlich und zeitgleich eine klassische kriterienorientierte Personalbeurteilung durch den jeweiligen Vorgesetzten vorgenommen. Die Teilnahme am 360° Feedback ist freiwillig. Die Ergebnisse fließen nicht in die Personalbeurteilung ein und haben somit keinen Einfluss auf Gehalts- und Karriereentscheidungen.

Seit 2008 zeigen sich folgende Tendenzen:

  • Die Kollegen und Kunden wurden im ersten Jahr ebenfalls um Feedback gebeten. Die Rücklaufquote war so gering, dass darauf seither verzichtet wird.
  • Seit 2010 ist die Anzahl der Feedback-Berichte leicht gesunken (von 85% auf 78%). Dabei wurden 6% mehr Feedbacks von Mitarbeitern angefragt.
  • Die Zahl der insgesamt abgegebenen Beurteilungen sank im gleichen Zeitraum um 5%. Dabei muss beachtet werden, dass ein Mitarbeiter zum Teil bis zu 20 Anfragen von verschiedenen Führungskräften hatte.
  • Tatsächlich sank die Zahl der Führungskräfte, die ein Mitarbeiter durchschnittlich beurteilte von 2,8 auf 1,9. Eine Führungskraft bekam 2011 im Schnitt zehn Beurteilungen.
  • Von den Führungskräften, die einen Bericht erhielten, fragten jährlich im Schnitt 4 % ein Coaching an.
  • Seit 2009 ist das durchschnittliche Befragungsergebnis über alle Mitarbeiter und Fragen von 3,76 auf 3,81 gestiegen.

Die Fragen im 360° Feedback:

1.         Erfüllt Ihre Führungskraft ihre Aufgaben objektiv und unabhängig?

2.         Zeigt das Verhalten Ihrer Führungskraft klare und professionelle Standards?

3.         Zeigt Ihre Führungskraft gegenüber Kunden und potenziellen Kunden tiefgehendes Verständnis vom Geschäft?

4.         Kommuniziert Ihre Führungskraft klar, offen und ehrlich?

5.         Sieht Ihre Führungskraft das Weitergeben von Wissen und die Mitarbeiterförderung als wichtig an?

6.         Handelt Ihre Führungskraft wie ein Vorbild und ermutigt andere zu Integrität und dem Einhalten von Werten?

7.         Respektiert Ihre Führungskraft die Meinung anderer und nimmt Ideen und Vorschläge auf?

8.         Zeigt Ihre Führungskraft die Fähigkeit, schnelle und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen?

9.         Erkennt Ihre Führungskraft Ihre Anstrengungen und die Anstrengungen und Leistungen anderer an?

10.     Fördert Ihre Führungskraft eine Atmosphäre, in der die Teammitglieder Ihre Anliegen diskutieren können?

11.     Macht Ihre Führungskraft ihre Leistungserwartungen klar und kommuniziert diese?

12.     Zeigt Ihre Führungskraft Kompetenz in ihrem Fachgebiet?

13.     Fördert Ihre Führungskraft Teambildung und Zusammenarbeit?

14.     Ermutigt Ihre Führungskraft Sie, neue Ansätze bei der Arbeit zu finden und auszuprobieren?

15.     Respektiert Ihre Führungskraft die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitern?

16.     Hilft Ihnen Ihre Führungskraft Ihre Leistung zu steigern?

17.     Behandelt Ihre Führungskraft jeden unabhängig von seiner Position und Kultur mit Respekt?

18.     Fördert Ihre Führungskraft ein Miteinander, das es ermöglicht, die Arbeit mit Verpflichtungen und Interessen des Privatlebens zu vereinbaren?

19.     Gibt Ihre Führungskraft Ihnen das ganze Jahr hindurch konstruktives Feedback?

20.     Informiert Ihre Führungskraft Sie klar über Unternehmensziele und über die Unternehmensausrichtung?

21.     Zeigt Ihre Führungskraft Integrität und Orientierung an den Unternehmenswerten?

22.     Akzeptiert Ihre Führungskraft die Verantwortung an positiven wie negativen Ergebnissen?

23.     Motiviert Ihre Führungskraft Sie und Ihre Kollegen, am Erfolg von n&m mitzuarbeiten?

Diese Fragen können jeweils auf einer Skala von 1 bis 4 bewertet werden (4 = fast immer, 3 = oft, 2 = manchmal, 1 = selten). Alternativ kann angegeben werden, dass das Verhalten in diesem Bereich nicht beobachtet werden konnte.

Am Ende des Fragebogens werden drei offene Fragen gestellt:

  • Was sollte Ihre Führungskraft tun, um ihre Stärken auszubauen und zu erhalten?
  • Womit sollte Ihre Führungskraft aufhören, um besser zu werden?
  • Womit sollte Ihre Führungskraft anfangen, um besser zu werden?

Der Bericht ist folgendermaßen aufgebaut:

Teil I: Die Ergebnisse der geschlossenen Fragen.

Teil II: Die Ergebnisse bezogen auf die Unternehmenswerte. Jede geschlossene Frage ist einem der zentralen Unternehmenswerte zugeordnet. Hier werden die Ergebnisse entsprechend zusammengefasst.

In Teil I und II werden jeweils die Selbsteinschätzung, die Einschätzung der geführten Mitarbeiter und die Durchschnittswerte aller teilnehmenden Führungskräfte von n&m dargestellt.

Teil III: Die fünf Fragen, in denen die Führungskraft am besten und am schlechtesten abgeschnitten hat.

Teil IV: Die Antworten auf die offenen Fragen. Diese werden im exakten Wortlaut wiedergegeben.

Nachdem sich Joost Kuhlmann die Fakten und Entwicklungen des Verfahrens noch einmal angesehen hatte, bekam er ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Gerade in der letzten Woche hatte er schon geschluckt, als er die diesjährige Rechnung von checkXX abgezeichnet hatte. Im Jahr 2008 hatte das 360° Feedback zu den ersten Projekten gehört, die er als neuer Leiter Personalentwicklung bei n&m durchgezogen hatte. Es war die Vision des damaligen Geschäftsführers, Peter Frey, gewesen, der dann kurze Zeit nach der Implementierung zur Konkurrenz gewechselt war. Am kommenden Mittwoch sollte er nun der Geschäftsführung und der Personalleiterin Eva Sturmreiter die Ergebnisse des diesjährigen Durchlaufs vorstellen. Er griff zum Telefon und wählte Evas Nummer. "Ja, Joost, gibt es was Dringendes?", meldete sie sich. "Ich wollte eigentlich heute mal pünktlich gehen." "Tja, ich würde gern kurz mit dir über unser 360° Feedback sprechen, damit ich den Termin mit der Geschäftsführung nächste Woche vorbereiten kann", antwortete Joost. "Okay", sagte Eva gedehnt, "das war doch damals bei der Einführung dein Steckenpferd. Was ist denn los?"

Zwanzig Minuten später bereitete sich Joost auf ein arbeitsreiches Wochenende vor.

Im Laufe des Gesprächs hatte Eva zugegeben, dass ihr auch schon einige Dinge aufgefallen waren, die sie nachdenklich gestimmt hatten. So sei das Ergebnis des Kollegen Friedhelm Stuhler in diesem Jahr exzellent ausgefallen. Gleichzeitig zeichnete sich sein Bereich durch eine überdurchschnittliche Fluktuation aus und die Vakanzen waren schwer zu besetzen, da es nur selten intern Bewerbungen darauf gab. Am Ende des Telefonats hatten Eva und Joost vereinbart, dass sie die Geschäftsführung am Mittwoch von Veränderungen überzeugen wollten. "Lass' uns am Dienstag m unserem Jour fixe unbedingt mögliche Fragen und Einwände der Geschäftsführer diskutieren!", hatte Eva noch gemeint und dann das Telefonat beendet.

"Nun wird es aber Zeit" - Joost hatte sich zum Squash-Spielen verabredet - "abreagieren beim Betriebssport", dachte er, aber nachher in der Sauna gab es auch immer gute Gespräche. Manchmal rund um die Firma und über alle Hierarchieebenen. Er freute sich auf einen netten Abend.

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 191 - 196

Kriterien zur Beurteilung von Gestaltungsansätzen

Formale Rationalität

  • Zweckeignung
  • Realisierbarkeit
  • Ökonomie
  • Neben- und Spätfolgen

Materiale Rationalität

  • Zielbewertung
  • Mittelbewertung
  • Kontrollierbarkeit
  • Reversibilität

Wissensbasis

  • Theoretische Fundierung
  • Theoretischer Pluralismus
  • Empirische Prüfung
  • Diskurs

Quelle: MARTIN, A. (2001): Personal – Theorie, Politik, Gestaltung. Kohlhammer, Stuttgart. S. 71-117

Fallstudie 3. Vorlesung

Ungerechte Vergütung bei der WeStockYou-GmbH?

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Die WeStockYou GmbH ist ein recht großes, inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen mit ca. 180 Mitarbeiter:innen, dass Tankstellen, Kioske, Tante Emma-Läden etc. mit Waren bestückt.  Der Organisationsgrad der Mitarbeiter:innen ist gering, es gibt jedoch einen Betriebsrat.

Vor 1,5 Jahren wurde ein kleiner konkurrierender Betrieb aufgekauft und es wurden 25 Mitarbeiter:innen (18 im Vertrieb, sieben in der Logistik) übernommen.  Die neuen Kollegen und Kolleginnen sind, im Gegensatz zu den altgedienten Mitarbeitern, Gewerkschaftsmitglieder.  

Eine an der individuellen Leistung orientierte Vergütung gibt es nicht, jedoch wird jeden November ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Netto-Arbeitlohnes gezahlt.

Im Arbeitsvertrag eines jeden Mitarbeiters ist die Klausel enthalten, dass die Höhe des Gehaltes der Verschwiegenheit unterliegt.

Bärbel Meiser, eine Mitarbeiterin aus dem Vertrieb, hat im Januar eine Beschwerde beim Betriebsrat eingereicht:

"Ich wende mich an den Betriebsrat, da Herr Fuchs als mein direkter Vorgesetzter nicht auf meine Bitten, ein konstruktives Gespräch zu führen, reagiert hat. Zwei Aspekte meiner Arbeitssituation bedürfen einer genauen Betrachtung:

Zum einen entsprechen meine Arbeitsaufgaben nicht mehr denjenigen, die mir mitgeteilt wurden, als ich meine Stelle vor neun Jahren antrat. Durch die neuen Software-Lösungen verbringe ich inzwischen einen großen Teil meiner Arbeitszeit mit Back-Office, Homepage-Arbeit, Archivierung etc.; die eigentliche Vertriebsarbeit und Kundenakquise nimmt nur noch einen geringen Teil meiner Arbeit ein. Dies ist nicht in meinem Sinne und sollte sich, sofern nicht veränderbar, zumindest gehaltlich niederschlagen.

Zum anderen weiß ich aus sicherer Quelle, auch wenn die Kollegen und Kolleginnen nicht mit mir darüber gesprochen haben, dass die neuen Kollegen, die nach der Übernahme der Let’s Go GmbH vor 1,5 Jahren in das Unternehmen gekommen sind, mehr verdienen. Diese Ungerechtigkeit gilt es zu adressieren. Dies betrifft nicht nur mich, sondern auch mehrere meiner Kollegen und Kolleginnen, die ebenfalls sehr unzufrieden mit der aktuellen Situation sind."

Die Beschwerde wird durch den Betriebsrat anonymisiert an die Geschäftsleitung weitergegeben. Der Inhaber, Michael Freund, gibt bei der Personalabteilung eine Überprüfung der Aufgabengebiete der Mitarbeiter:innen im Vertrieb in Auftrag. Darüber hinaus beauftragt er den Personalreferenten, einen Entwurf für ein leistungsbezogenes Vergütungssystem für den Vertriebsbereich zu erstellen, dass das Weihnachtsgeld ersetzen soll.

Als Dank für das – trotz Corona gut verlaufene Jahr 2021 ("und um des lieben Friedens willen, wenn es denn sein muss") gewährt Herr Freund zwei zusätzliche Urlaubstage für das Jahr 2022 für alle Mitarbeiter:innen und einen einmaligen Bonus in Höhe von 250,-€ für die Mitarbeiter:innen des Vertriebs.

Fallstudie 27.04.2022

Die neue Verkaufsfläche – Brauchen wir wirklich neue Mitarbeiter?

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"Ich freue mich, dass es gelungen ist, die neue Fläche anzumieten! Sie alle wissen ja, dass ich schon länger darauf gehofft habe. Mit der Vergrößerung können wir dann auch den Outdoor-Bereich sowie die Saisonfläche vergrößern." Alle Mitarbeiter klatschten, als Stefanie Rohrbach die Neuigkeit bei der monatlichen Teambesprechung verkündete und prosteten ihr zu. Im Anschluss an die abendliche Besprechung nach Ladenschluss kam Frau Kelk auf ihre Chefin zu. "Sagen Sie, wäre es möglich, dass ich dann meine Arbeitszeit auf 100 Prozent aufstocken kann, Frau Rohrbach? Ich könnte das Geld dringend brauchen", meinte sie. Stefanie überlegte und antwortete: "Ich muss erst einmal durchrechnen, was die Vergrößerung für die Personalplanung bedeutet – die Entscheidung ist ja gerade erst gefallen. Aber vielen Dank für den Hinweis, dass Sie gerne mehr arbeiten würden. Ich schaue mir das an und dann komme ich auf Sie zu."

Später im Büro nahm Stefanie die Zahlen zur Hand. Als Inhaberin eines erfolgreichen Sportgeschäfts in Marktfeld plante sie schon seit zwei Jahren eine Vergrößerung. Nun war es gelungen, in den nächsten drei Monaten mit einem geringfügigen Umbau die bisherigen 900 qm Verkaufsfläche auf insgesamt 1.400 qm durch die Übernahme des 1. Obergeschosses zu vergrößern.

Im letzten Jahr erwirtschaftete das Sportgeschäft 1,71 Mio. Euro Umsatz brutto mit 12 Mitarbeitern (inklusive Stefanie selbst). Von den Mitarbeitern arbeiten fünf mit je 40 Stunden pro Woche als Vollzeitkräfte. Dann gab es noch Frau Saul, die seit zwei Jahren aufgrund ihrer pflegebedürftigen Mutter mit 70 Prozent einer Vollzeitkraft arbeitete sowie vier sehr flexible Verkaufsberaterinnen mit je 50 Prozent – Frau Kelk war eine davon. Die studentische Aushilfe Eva (30 %) verstärkte das Team in den Arbeitsspitzen. Durch diese Mischung war gewährleistet, dass die Öffnungszeiten von 10 – 20 Uhr abgedeckt und zudem in den frequenzstarken Zeiten die meisten Berater im Geschäft waren.

Stefanie überlegte. Nun stellte sich die Frage, wie viele Mitarbeiter künftig benötigt wurden. Außerdem war zu berücksichtigen, dass angesichts der verkaufsstarken Zeiten (nachmittags und vor allem samstags) die Flexibilität auf keinen Fall eingeschränkt werden durfte. Das Telefon klingelte und Stefanie nahm ab. Herbert Sonneberg, der örtliche Sparkassenleiter, kam sofort auf den Punkt: "Frau Rohrbach, wie schön, dass ich Sie erreiche. Wir hatten doch vor zwei Wochen über die Erweiterung der Geschäftsräume gesprochen. Also der Kredit ist kein Problem, das machen wir alles wie besprochen. Da wäre noch etwas. Meine Tochter ist ja im Sommer mit der Schule fertig und würde wahnsinnig gerne bei Ihnen lernen. Was halten Sie denn davon?" Stefanie bedankte sich für den Anruf und versprach, über die Möglichkeit, demnächst auszubilden, nachzudenken. Bislang bildete das Sportgeschäft nicht aus, weil es in der Vergangenheit schwierig war, die Übernahmemöglichkeiten abzuschätzen.

Aufgaben:

  1. Versetzen Sie sich in die Lage von Stefanie Rohrbach. Was könnten Sie zur Grundlage nehmen, um den zukünftigen Personalbedarf abzuschätzen oder zu berechnen? Nehmen Sie eine Einschätzung vor.  
  2. Wie würden Sie die notwendigen zusätzlichen Stunden auf neue und bisherige Mitarbeiter aufteilen? Würden Sie eher verstärkt Methoden der internen oder der externen Personalbeschaffung verwenden oder einen Mix aus beidem? Begründen Sie Ihre Entscheidung!
  3. Wie gehen Sie mit der Anfrage des Sparkassenleiters um? Was gibt es Ihres Erachtens zu bedenken?

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 141-142

Personalbedarfsermittlung für ein Altenheim

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Carina Schulte hat gerade ihre neue Stelle als Assistentin der Geschäftsführung bei einer katholischen Stiftung aufgenommen. Diese Stiftung ist Träger von verschiedenen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern und Pflege- und Behinderteneinrichtungen.

Im Gespräch mit ihrer neuen Chefin, der Geschäftsführerin Frau Dr. Birgt Bauer, erhält Carina Schulte ihren ersten Arbeitsauftrag. "Kümmern Sie sich doch bitte darum, wie viele Pflegekräfte wir in unseren Pflegeeinrichtungen wirklich brauchen!", so der Auftrag von Fr. Dr. Bauer. "Am besten, Sie beginnen beim Altenheim St. Agnes. Denn von dort kommen immer wieder Beschwerden von Angehörigen, dass zu wenig Personal in der Pflege sei!"

Engagiert macht sich Carina Schulte an die Arbeit und überlegt zunächst, wovon der Personalbedarf der Pflegekräfte abhängig ist. Grundlage ist der erforderliche Arbeitsaufwand in der Pflege, der sich nach der Anzahl und der Pflegestufe der Bewohner richtet. Carina Schulte recherchiert, dass die drei Pflegestufen im Sozialgesetzbuch geregelt sind und dass jeder Pflegestufe ein Minutenwert zugeordnet ist, der den Pflegebedarf bemisst. Aus dem Controlling erhält Carina Schulte folgende Informationen über die aktuelle Belegung des Altenheims St. Agnes:

Pflegestufe Pflegebedarf in Minuten pro Tag Belegte Plätze in St. Agnes
Pflegestufe I 110 Min. 10
Pflegestufe II 134 Min. 18
Pflegestufe III 304 Min. 30

"So, mit diesen Angaben lässt sich der Arbeitsaufwand in der Pflege berechnen", überlegt Carina Schulte, "aber um die Anzahl der Stellen zu ermitteln, brauche ich noch die Information wie viel Arbeitszeit pro Pflegekraft zur Verfügung steht." Diese Information bekommt Carina Schulte aus der Personalabteilung. In allen Pflegeeinrichtungen der Stiftung– so auch im Altenheim St. Agnes – beträgt die wöchentliche Arbeitszeit für Pflegekräfte 38,5 Stunden.

"Damit habe ich nun alle Informationen", freut sich Carina Schulte, "um die Anzahl der benötigen Stelle in der Pflege zu ermitteln!"

Aufgaben:

Versetzen Sie sich in die Lage von Carina Schulte.

Ermitteln Sie den Personalbedarf für das Altenheim St. Agnes. Fehlen Ihnen noch weitere Informationen? Was gibt es dabei zu bedenken?

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 142-143

Material 03.05.2022

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S.46

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S.47

Fallstudie 11.05.2022

Wie verbessern wir die Personalauswahl?

Fall als PDF

"Herr König, diese Zahlen sind schon alarmierend. 20 Prozent der neueingestellten Mitarbeiter im Verkauf und Verleih der Wohnmobile haben im letzten Jahr die Probezeit nicht überstanden. Die Zahlen sagen nicht aus, ob die Mitarbeiter von selbst gekündigt haben oder von den Niederlassungen nicht übernommen wurden. In jedem Fall verursacht aber die Situation enorme Kosten für Neu-Einstellung und Einarbeitung. Da würde ich gerne tätig werden, um die Situation zu verbessern." Simone Köster lehnte sich zurück und hielt den Atem an. Hoffentlich war sie nach sechs Wochen Personalreferentin im mittelständischen Unternehmen Feria Traveller GmbH in Wörfelden nicht zu forsch, indem sie dem kaufmännischen Leiter gleich die Probleme präsentierte, auf die sie bei ihrer Arbeit gestoßen war.

Das expandierende Unternehmen gehörte zu den erfolgreichsten Verleihern hochwertiger Wohnmobile und unterhielt derzeitig 48 Niederlassungen in Deutschland. Auch der Verkauf von Wohnmobilen warf einen guten Gewinn ab, weil begeisterte Wohnmobil-Urlauber nach den ersten Erfahrungen oft zu Käufern wurden. Die Personalabteilung der Zentrale war erst kürzlich aufgestockt worden und nun für grundsätzliche Personalfragen, für die Personalentwicklung und die Abrechnung der Mitarbeiter in n Niederlassungen zuständig.

Herr König schaute auf: "Wie ich sehe, haben Sie sich schnell eingearbeitet und stoßen sofort auf die Optimierungspotenziale." Er schmunzelte und erklärte ihr dann das Problem aus seiner Sicht: "Aufgrund der dezentralen Struktur werden Personalauswahl und -einstellungen in den Niederlassungen natürlich von den jeweiligen Leitern vor Ort selbst vorgenommen. Die ‚Fehlgriffe‘ sind aus meiner Sicht leicht erklärbar. Die Niederlassungsleiter kommen überwiegend aus dem technischen Bereich (Kfz-Meister, Techniker) und haben keine Vorbildung im Bereich Personal. Vorstellungsgespräche werden vermutlich eher aus dem Bauch heraus und wenig anforderungsbezogen geführt. Eine Hilfestellung durch die Zentrale ist bislang kaum erfolgt, was auch mehrere Führungskräfte bei der letzten Jahrestagung bemängelt haben. Wir können das Thema gerne vorrangig angehen und auch in Ihre Zielvereinbarung aufnehmen. Im Fokus der verbesserten Auswahl sollten zunächst Mitarbeiter für den Verkauf und Verleih der Fahrzeuge stehen, da dies das Kerngeschäft von Feria Traveller darstellt."

Simone Köster verließ gut gelaunt und mit ersten Ideen das Büro Ihres Chefs. Sie hatten vereinbart, dass sie innerhalb einer Woche ein Konzept vorstellen würde, um die Situation zu verbessern. Herr König hatte aber auch klar gemacht, dass es nicht darum gehen konnte, demnächst die Personalauswahl durch die Zentrale vorzunehmen – das wäre kostenmäßig nicht machbar und würde zudem die Niederlassungsleiter verärgern.

Aufgaben

Versetzen Sie sich in die Lage von Simone Köster.

  1. Überlegen Sie zunächst, welche Informationen Sie noch benötigen, um einen tragfähigen Vorschlag zur Verbesserung der Personalauswahl vorzulegen.
  2. Welche Auswahlverfahren erscheinen für die Feria Traveller GmbH grundsätzlich geeignet?
  3. Wie wäre eine sinnvolle Durchführung der Personalauswahl in Zukunft zu gewährleisten? Und was könnten Sie tun, um die Situation in den Niederlassungen zu verbessern?

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 50 – 51

„Geht’s auch freundlicher?“ – Personalentwicklung für die Hotline

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Sie sind als Trainee im Personalbereich bei einem Hersteller für Computerdrucker tätig. Derzeitig ist Ihr Einsatzgebiet die Personalentwicklung.

Das Geschäft mit Druckern für den privaten Home-Office-Bereich ist hart umkämpft. Die Kalkulation ist dementsprechend eng und die Marge gering. Erträge werden vor allem durch Druckerzubehör (Tinte, Toner) generiert. Durch die sehr kulante Umtauschpolitik des Handels führen Probleme mit einem neuen Drucker sehr häufig zu Reklamationen, die für das Unternehmen hohe Kosten verursachen. Die technische Hotline des Unternehmens ist daher eine wichtige Funktion im Unternehmen, um die Kundenzufriedenheit mit den Produkten zu erhöhen und Produktrücknahmen zu verhindern.

Heute Morgen kommen Sie an Ihren Schreibtisch und finden eine Notiz Ihrer Chefin vor. Es gibt einen dringenden Arbeitsauftrag: Die neueste Kundenumfrage stellt fest, dass 60 Prozent der Befragten die Hotline als "unfreundlich" oder "eher unfreundlich" bewerten. Mehrere Beschwerde-Mails unterstützen dieses Ergebnis. So schreibt zum Beispiel Emily Stark: "Mir wurde der Eindruck vermittelt, ich wäre zu blöd, den Stecker richtig mit dem Computer zu verbinden." Der Auftrag der Leiterin der Personalentwicklung lautet daher knapp: "Bitte entwerfen Sie umgehend einen Vorschlag für eine Trainingsmaßnahme. Wir sprechen dann Anfang nächster Woche darüber."

Ihre Rückfrage bei einer Kollegin, die schon lange im Unternehmen arbeitet, ergibt folgendes Bild:

  • Zwanzig Mitarbeiter arbeiten für die technische Hotline. Die meisten wurden im Zuge einer Umstrukturierung dorthin versetzt. Für viele Mitarbeiter war es eine gefühlte Verschlechterung, auch wenn die Bezahlung gut ist und bei der Personaleinsatzplanung durchaus auf persönliche Wünsche Rücksicht genommen wird.
  • Mehrfach hat die Abteilungsleitung gewechselt. In den letzten drei Monaten wurde die Abteilung von einem Kollegen nur kommissarisch mitbetreut, weil dem Stelleninhaber wegen Spesenbetrugs fristlos gekündigt wurde. Der neue Abteilungsleiter Erich Schmidt ist erst seit einem Monat im Unternehmen und befindet sich heute und morgen im Rahmen seines Einarbeitungsprogramms in der Produktion.

Aufgaben

  1. Entwerfen Sie einen Vorschlag für die Personalentwicklungsmaßnahme. Gehen Sie insbesondere auch darauf ein, wie Sie eine konkretere Bedarfsermittlung vornehmen, welche Ziele die Personalentwicklungsmaßnahme haben sollte und wie inhaltlich und methodisch vorgegangen werden sollte.
  2. Überlegen Sie auch, wie Sie den Erfolg der Maßnahme überprüfen würden.

Quelle: Böhmer, N.; Schinnenburg, H.; Steinert, C. (2012): Fallstudien im Personalmanagement. Pearson, München. S. 63

Fallstudie 01.06.2022