Underachievement bei hoher Begabung

Hohe Begabung führt nicht automatisch zu hohen Leistungen, sondern kann als ein Potential für hohe Leistungen verstanden werden (Preckel & Vock, 2021). Damit sich das Begabungspotential einer Schülerin oder eines Schülers entwickelt, müssen individuell günstige Lernbedingungen bestehen. Sie sind unter anderem dann gegeben, wenn Aufgaben von den Lernenden als herausfordernd und sinnvoll erlebt werden. Diese Bedingungen fördern die Lernmotivation. Für weit überdurchschnittlich begabte Schülerinnen und Schülern besteht jedoch das Risiko, dass sie im Regelunterricht selten herausfordernde Aufgaben zu meistern haben. Anhaltende Unterforderung kann die Lernmotivation nachhaltig untergraben und dazu führen, dass Leistungen erbracht werden, die deutlich schlechter ausfallen, als aufgrund des Begabungspotentials angenommen werden kann. Dieses Phänomen wird als "Underachievement" bezeichnet. Schülerinnen und Schüler, die hiervon betroffen sind, zeigen außerdem häufig Verhaltensauffälligkeiten und stehen unter einem erheblichen Leidensdruck.

Modelle und Strategien der inklusiven Begabtenförderung sind darauf ausgerichtet, dass auch weit überdurchschnittlich Begabten im Regel-Unterricht Möglichkeiten zur Entwicklung ihrer Potenziale erhalten. Das "Drehtür-Modell", eine Organisationsstruktur, die auf den Psychologen Joseph Renzulli zurückgeht (Renzulli, 2001), wird auch in Schleswig-Holstein an vielen Schulen umgesetzt, um den Unterricht für Begabte "anzureichern". Sie verlassen in festgelegten Schulstunden ihre Klasse, um in dieser Zeit beispielsweise am Unterricht in höheren Klassen teilzunehmen, an selbstgewählten Projekten arbeiten oder an Kursangeboten teilnehmen. Anschließend nehmen sie wieder am Unterricht ihrer Klassenstufe teil. Um das Angebot an Kursangeboten zu vergrößern, wurde die "Digitale Drehtür" entwickelt, ein digitales Kursangebot, das bundesweit von Schülerinnen und Schülern genutzt werden kann (Küster, 2023).

Literatur

Küster, S. (2023). Die "Digitale Drehtür". Potenziale entdecken und fördern. Friedrich Jahresheft (1), 98-99.

Preckel, F., Vock, M. (2021). Hochbegabung. Ein Lehrbuch zu Grundlagen, Diagnostik und Fördermöglichkeiten (2. Aufl.). Hogrefe.

Renzulli, J., Reis S.M., Stedtnitz, U. (2001). Das Schulische Enrichment Modell SEM: Begabungsförderung ohne Elitebildung. Sauerländer.