Studienprofil
Die heute dominierende Wirtschaftsweise hat nicht allein zu einem historisch einzigartigen Niveau des gesellschaftlichen Reichtums geführt, sondern geht mit zahlreichen negativen ökologischen und sozialen Folgen einher. Massenkonsum, stetig wachsender Ressourcen- und Energieverbrauch sind wesentliche Treiber für den menschengemachten Klimawandel, den Verlust der Artenvielfalt und zahlreiche andere sozial-ökologische Krisen. Die Folgen von Erderwärmung und zunehmender Umweltverschmutzung sind nicht nur im globalen Norden zu spüren. Sie belasten vor allem Gesellschaften im globalen Süden, die am geringsten zu diesem Problem beigetragen haben. Mit anderen Worten: Wir leben nicht nur über unsere Verhältnisse, sondern auch über die Verhältnisse anderer. Gleichzeitig nimmt die soziale Ungleichheit nicht nur im weltweiten Maßstab, sondern auch innerhalb von Gesellschaften zu. Immer deutlicher wird, dass die zur Blaupause gewordene Wirtschafts- und Lebensweise der Gesellschaften des globalen Nordens nicht zukunftsfähig ist. In einer tiefen Vielfachkrise geraten Gegenwartsgesellschaften ökonomisch, ökologisch, sozial und politisch unter Druck.
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Vor diesem Hintergrund ist nicht die Frage, ob sich eine Transformation moderner Gegenwartsgesellschaften vollziehen wird, sondern vielmehr, ob sie stärker von den Verhältnissen erzwungen wird, oder im Rahmen gewisser zivilisatorischer Standards gestaltbar ist. Kurz, ob diese Transformation "by design or by disaster" erfolgt. Doch wie ist es möglich, moderne Gesellschaften gezielt zu transformieren? Fest steht: Ein solch umfassender Wandlungsprozess erfordert weit mehr als technologische Veränderungen. Auch ökonomisch, institutionell und kulturell müssen sich Gesellschaften wandeln.
Das Norbert Elias Center der Europa-Universität Flensburg erforscht aus sozialwissenschaftlicher Perspektive theoriegeleitet und zugleich praxisnah die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Veränderung unter dem Leitbild der Zukunftsfähigkeit. Seit dem Herbstsemester 2017 kann man diesen Wandel studieren: im Masterstudiengang "Transformationsstudien".
Der Studiengang stellt sowohl wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse zur Verfügung als auch Räume für kreatives Denken und Handeln. Ziel ist es, Studierenden die Möglichkeit zu geben, sozial-ökologische Problemkonstellationen und gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu verstehen und miteinander in Beziehung zu setzen. Nach Abschluss des Studiums verfügen sie über praxisrelevantes Veränderungswissen für eine gesellschaftliche Transformation in Richtung Nachhaltigkeit.
Genaue Informationen zum Aufbau des Studiums finden Sie im Studienprogramm.
Will man analysieren und reflektieren, wie etwa Klimawandel und soziale Ungleichheit, Ressourcenkonflikte und Finanzmarktkrisen, wachsender Naturverbrauch und Kapitalismus zusammenhängen, so reichen die theoretischen und methodischen Wissensbestände eines Fachs nicht aus. Dementsprechend notwendig interdisziplinär ist der Masterstudiengang angelegt.
Folgende Disziplinen sind am Studienprogramm beteiligt: Soziologie, Ökologie, Ökonomie, Geographie, Philosophie, Rechtswissenschaft, Germanistik, Kunst, Erziehungswissenschaften und Medienwissenschaft.
Ziel des Studiengangs ist es, qualifizierte Fachkräfte für Wissenschaft, Politik(beratung), Wirtschaft und Gesellschaft auszubilden. Im Anschluss an das Studium sollen Wege sowohl in die Praxis als auch in Wissenschaft und Forschung offen stehen. Die Studierenden qualifizieren sich für Tätigkeiten in inner- und außeruniversitären Forschungseinrichtungen genauso wie für anspruchsvolle Positionen in Verwaltungen, Unternehmen und Institutionen, in denen Veränderungsprozesse im Kontext der Nachhaltigkeit gefragt und relevant sind.
Außerhalb von Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind dies beispielsweise:
- Internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen
- Corporate-Social-Responsibility- und Nachhaltigkeitsabteilungen in Unternehmen
- Umweltdezernate im öffentlichen Dienst
- Gemeinwohl-orientierte sowie alternativ wirtschaftende Unternehmen/Organisationen
- Institutionen und Organisationen, die Medien-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu umwelt- und nachhaltigkeitsrelevanten Themen leisten.
- Unternehmens- und Politikberatung
- Stellen mit dem Fokus auf Campaigning
- Kultur- & Bildungssektor, Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)
- Stiftungen
In diesem Video von 2018 gibt der erste Jahrgang der Transformationsstudien Einblicke in das Studium und das (Uni-)Leben in Flensburg.
Expert*innen zum Studiengang
Verschiedene Expertinnen und Experten aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben uns bei der Ausgestaltung des Studiengangs unterstützt und einige von ihnen haben sich 2017 zu seiner Realisierung geäußert:
Prof. Dr. Olav Hohmeyer, Europa-Universität Flensburg, Mitglied des IPCC (2002-2008)
Der Studiengang Transformationsstudien beschäftigt sich mit der Frage, wie ein gesellschaftlicher Wandel in Richtung Nachhaltigkeit gelingen kann. Dies ist ohne Zweifel eine der zentralen Fragestellungen des 21. Jahrhunderts und von zunehmender Bedeutung. Ich begrüße die Einrichtung des Studiengangs ausdrücklich, da so die Lehre und Forschung an unserer Universität zum Thema «Nachhaltigkeit» – zu dem wir uns auch in unserem Leitbild bekannt haben – weiter gestärkt wird. Zusätzlich ist der sozialwissenschaftliche M.A. Transformationsstudien eine ideale Ergänzung zum bestehenden M. Eng. Energie- und Umweltmanagement. Durch die Kooperation und den Austausch zwischen den sozial- und ingenieurswissenschaftlichen/energiewirtschaftlichen Formaten verspreche ich mir zahlreiche Synergien sowie insgesamt eine Steigerung der Attraktivität des Studienangebots an der Europa-Universität Flensburg.
Dr. Kora Kristof, Leiterin der Grundsatzabteilung im Umweltbundesamt (UBA)
Der Master-Studiengang schließt eine wichtige Lücke im Studienangebot der Universitätslandschaft, denn er vermittelt den Studierenden die interdisziplinäre Analyse der Ursachen und Folgen verschiedenster sozial-ökologischer Probleme. Außerdem erwerben die Studierenden solide Kenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung sozialer Transformationen (Models of Change). Die Studierenden können ihre Erkenntnisse durch die breite Anwendung in der Praxis und interessante Formate des Forschenden Lernens festigen. Nicht nur für das Umweltbundesamt, das forscht, aber auch die Politik wissenschaftlich berät und andere gesellschaftliche Akteure bei der sozial-ökologischen Transformation unterstützt, sind Absolventen und Absolventinnen außerordentlich wichtig, die sowohl eine fundierte Wissensbasis über sozial-ökologische Transformationen als auch solides Wissen und Kompetenzen zu den Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse mitbringen. Auch für Unternehmen und Zivilgesellschaft werden solche Qualifikationen immer wichtiger.
Prof. Dr. Stephan Lessenich, LMU München, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Dieser Studiengang passt in die Zeit – man ist versucht zu sagen: «leider». Die ökologischen Grenzen und negativen Externalitäten jenes Produktions- und Reproduktionsmodells, das in den «überentwickelten» Gesellschaften der westlichen Industriemoderne spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg etabliert ist, sind offensichtlich und nicht mehr zu verleugnen. Was in dieser Konstellation ansteht, ist eine gesellschaftliche Transformationsaufgabe ungeahnten Ausmaßes: Es geht darum, die in unseren Breitengraden gewachsenen Vorstellungen und Praktiken des Wirtschaftens und Konsumierens, Arbeitens und Lebens von Grund auf zu überdenken und umzustellen. In diesem Sinne passt der Master-Studiengang Transformationsstudien in unsere gesellschaftshistorische Zeit – und man darf sagen: zum Glück. Denn er kann in Ansatz, Konzeption und Didaktik vollständig als ein sach- und problemangemessener Versuch bezeichnet werden, universitäres Studium und akademische Lehre den Herausforderungen der gesellschaftlichen Gegenwart und insbesondere der weltgesellschaftlichen Zukunft anzupassen. Aus soziologischer Perspektive ist er im Ansatz nicht nur gelungen, weil er konstitutiv von der sozialen Dimension sowohl der Strukturprobleme des gegenwärtigen Entwicklungsmodells wie auch der Leitideen einer nachhaltigen Transformation desselben ausgeht – sondern auch deswegen, weil er diese Perspektive überzeugend in eine interdisziplinäre Perspektivenvielfalt einbettet und mit ihr ›kreuzt‹. Der Dreischritt Gegenwart – Vergangenheit –Zukunft ist, gerade auch in dieser Reihenfolge, klug gewählt, und die didaktischen Konzepte, insbesondere jenes des Forschenden Lernens, entsprechen den Notwendigkeiten einer neuen – individuellen und kollektiven – sozialen Praxis transformatorischen Handelns, in eine offene Zukunft hinein. Dieser Studiengang musste entwickelt werden, es braucht ihn – am Ende bleibe ich dann doch dabei: «leider».
Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
In Paris hat sich die Weltgemeinschaft im Winter 2015 zu gemeinsamen Klimaschutzzielen verpflichtet. Um die Ziele zu erreichen ist der Umbau zentraler Bereiche von Ökonomie und Gesellschaft notwendig. Solche Transformationen erfordern neue Formen des Wissens und der Integration von Wissen. Diese Herausforderungen lassen sich mit dem Begriff der transformative literacy rahmen. Mit der Fähigkeit also, Informationen über gesellschaftliche Veränderungsprozesse produktiv zu verarbeiten und eigenes Handeln in diese Prozesse einzubringen. Gegenwärtig wird im Zusammenhang mit Klimaschutz zumeist von technologischen Veränderungen gesprochen, doch auch ökonomische, institutionelle und kulturelle Transformationen sind dringend geboten. Um Transformationen in Richtung Nachhaltigkeit zu meistern, muss dieses Ungleichgewicht beseitigt werden. Der an der Europa-Universität Flensburg konzipierte Master-Studiengang Transformationsstudien macht sich dies beispielhaft zum Anliegen. Ihm kommt damit im deutschen Universitätssystem bei der Vermittlung einer transformative literacy eine Vorreiterrolle zu.