Termin | Vortragende*r | Titel |
16.09. | Dr. Bernd Sommer, Norbert Elias Center for Transformation Design & Research, EUF | Beschleunigung, Resonanz, Unverfügbarkeit. Eine Einführung in Hartmut Rosas kritische Theorie der Gesellschaft Hartmut Rosa zählt in Deutschland zu den meist gelesenen Soziologen der Gegenwart. Dies gilt nicht allein für die einschlägigen Fachwissenschaften, sondern auch für die nicht-akademische Öffentlichkeit. Der bemerkenswerte Erfolg Hartmut Rosas erklärt sich dadurch, dass es in seinen Arbeiten besonders anschaulich das Gefühl vieler Menschen auf den Begriff zu bringen vermag, dass mit den gesellschaftlichen Verhältnissen "etwas nicht stimmt". So knüpfte bereits Rosas Beschleunigungs-Buch an die Alltagserfahrungen unzähliger Menschen, und er konnte darin plausibel machen, was die gesellschaftliche Beschleunigungsspriale antreibt und wieso die in ihr gefangenen Individuen diese als problematisch erfahren. Fortgesetzt hat Hartmut Rosa seine Gesellschaftsanalyse mit Arbeiten zu "Resonanz" und "Entfremdung" sowie jüngst "Unverfügbarkeit". Bernd Sommer vom Norbert Elias Center (NEC) der Europa-Universität Flensburg (EUF) führt anhand zentraler Konzepte in Hartmut Rosas kritische Theorie der Gesellschaft ein. Dazu wird in Exkursen dargelegt, wieso Rosas Arbeiten auch für die Bearbeitung sozial-ökologischer Fragestellungen besonders instruktiv sind. |
23.09. | Samira El Ouassil, Schauspielerin und Medienwissenschaftlerin | Vom Mangel an Resonanz I: Rezo und die Politik Demokratie sei ein Resonanzversprechen, sagt der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa. Ein Versprechen auf Resonanz, das Parteien vor allem gegenüber jungen Wählern offenbar nicht einzuhalten vermögen. Ein wirklicher Dialog zwischen Politik und Jugend scheint trotz Phänomenen wie Fridays for Future auszubleiben, bzw. ist dieses gerade eine laute Antwort auf den nicht stattfindenden Austausch. Dabei stellt sich die Frage, wie zugänglich eine junge Generation überhaupt noch für die konventionelle, parteiliche Kommunikation ist bzw. sein möchte. Der Erfolg von Rezo und seinem Video "Die Zerstörung der CDU" belegte eindrucksvoll, wie die Politik sowohl den Anschluss an junge Wähler als auch an das Digitale als diskursiven, politischen Ort verloren hat. Die Unverfügbarkeit einer Generation führt die Parteien an die Grenzen ihrer politischen Kommunikation, was jedoch nicht an einem Desinteresse der jungen Unverfügbaren liegt: sie sind Teil einer digitalen, autodidaktisch aufgewachsenen Generation, die hungrig nach einer eigenen Durchdringung und einem (Selbst)Verständnis ihrer Wirklichkeit ist, sowie nach eigenen Formen der Resonanz, die in den sozialen Netzwerken und Videoplattformen zu finden sind. Die Jugend ist politisch engagiert, informiert und gesprächsbereit: um mit ihr in Dialog zu treten, müssten Parteien die digitalen sozialen Räume besser verstehen lernen, sie wie die analoge Kultur und publizistische Welt als eine gleichwertige Öffentlichkeit betrachten, sie als politische Sphäre ernstnehmen und als diskursives Feld mit eigenen Gesetzen begreifen und behandeln. Anhand des Video-Essays von Rezo, sowie der politischen Reaktionen und überforderten Krisenkommunikation, die emblematisch für die Unverständigkeit zwischen den Akteuren ist, sollen exemplarisch die dysfunktionalen Resonanz-Verhältnisse und der Beziehungsverlust zwischen Politik und einer für sie unverfügbaren Jugend veranschaulicht werden. Rezo ja lol ey: "Die Zerstörung der CDU", YouTube, veröffentlicht am 18.05.2019, https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ Samira El Ouassil ist Medienkritikerin, Schauspielerin, Autorin, Sängerin und Politikerin. Sie hat einen Masterabschluss in Kommunikationswissenschaften sowie einen in Politik, Wirtschaft und Philosophie, ist ausgebildete Schauspielerin und Sprecherin, Gag-Schreiberin für Oliver Polak und ulmen.tv, Sängerin der Band Kummer und war 2009 Kanzlerkandidatin für DIE PARTEI ("Es muss ein Rock durch Deutschland gehen"). Seit September 2018 schreibt sie für das für den Grimmepreis nominierte Onlineportal Übermedien die Kolumne Wochenschau. |
30.09. | Prof. Dr. Anders Ehlers Dam, Institut für Sprache, Literatur und Medien, Dänisches Seminar, EUF | Unverfügbarkeit und Intensität. Kulturkritische Perspektiven bei Sören Kierkegaard und Hartmut Rosa Warum ist es so schwierig für uns moderne Menschen, das Unverfügbare zu akzeptieren? Der Vortrag beleuchtet die Kulturkritik, die bei Hartmut Rosa zu finden ist, und diese wird mit Sören Kierkegaards erstaunlich moderner Kritik aus der Zeit in der Mitte des 19. Jahrhundert verglichen. Wie Rosa 150 Jahre später sah Kierkegaard eine Kultur, die von Entfremdung und fehlender Intensität gekennzeichnet war. Wie bei Rosa findet man schon bei dem dänischen Philosophen sehr präzise Gedanken über die Rolle der Massenmedien. |
07.10. | Renate Kuschke, Qigong und Taijiquan Lehrerin | Vom Nutzen des Nutzlosen – Einblick in die Weisheitstradition des Daoismus In diesem Vortrag möchte ich Sie mitnehmen auf einen heiter-vergnüglichen Spaziergang durch das altchinesische Weisheitsbuch Zhuangzi, in dem bereits vor 2500 Jahren Sein und Schein, Resonanz und Sich-Lassen-Können, thematisiert wurden. Unterwegs werden wir auch Laozi treffen und die durchaus ernsthafte Frage stellen, was uns Ideen wie "wuwei" (Nicht-Handeln) und "ziran" (von-Selbst-so) heute noch sagen können. Die Ostasiatische Kultur mit ihrer tiefen Einsicht in den letztlich unverfügbaren Wandel allen Gegebenen, versteht sich von Grund auf als handelndes Antworten, auf mitschwingendes sich Ein-Lassen auf Prozesse und Situationen. In Resonanz kommen ist hier Voraussetzung für ein gelingendes Leben und spielt sich nicht nur zwischen zwei Menschen oder Mensch und Ding ab, sondern genauso zwischen Mensch und Natur / Jahreszeiten / Atmosphären. Vielleicht kann die Beschäftigung mit dem Daoismus eine "Art Medizin darstellen, die in gewissen Dosen heilsam ist, wenn es darum geht, der einen oder anderen philosophischen Zivilisationskrankheit entgegenzuwirken" (H.-G. Möller, Sinologe) Zum Ende des Vortrags möchte ich Sie einladen, anhand von zwei kleinen Übungen leiblich zu erfahren, was Sich-Lassen und Gelassenheit miteinander zu tun haben.
Renate Kuschke, Qigong Lehrerin in daoistischer Tradition
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21.10. | Dr. Pascal Delhom, Interdisziplinäres Institut für Sozial- und Humanwissenschaften, Philosophisches Seminar, EUF | Unverfügbarkeit: Eine Frage der Haltung? Das Buch von Hartmut Rosa ist eine Kritik der Moderne. Der Mensch, so heißt es, hat durch die Entwicklung der modernen Wissenschaften, der Technik, einer bestimmten Ökonomie und deren rechtlich-administrativen Bedingungen vieles erreicht. Durch die Steigerung unseres Wissens und unseres Könnens haben wir großes geleistet. Wir haben uns die Welt verfügbar gemacht. Doch der Preis dafür ist, dass diese Welt für uns stumm geworden ist. Wir haben gelernt, sie als Objekt zu betrachten und zu behandeln. Wir haben aber verlernt, Unverfügbares zuzulassen und uns darauf einzulassen. Die Dinge sprechen uns nicht mehr an, weil wir nicht mehr fähig sind, ihnen zuzuhören. Das Problem liegt also nicht nur in der Veränderung der Welt, sondern in unserer Haltung zur Welt. Und entsprechend stellt Rosa die Möglichkeit einer anderen Weltbeziehung, die er Resonanz nennt, als etwas dar, was nur durch die Veränderung unserer Welthaltung realisierbar ist. Doch wie soll es gehen und was soll dadurch erreicht werden? Ich möchte mich in meinem Vortrag auf zwei Fragen konzentrieren: - Worin besteht überhaupt diese Haltung, dank der wir uns die Welt verfügbar machen? Und worin besteht vor allem die Haltung, die Resonanz zulässt? Was ist das Unverfügbare, das uns nicht mehr anspricht? Wie werden wir davon berührt? Hier muss viel radikaler gedacht werden, als Rosa es tut. - Wie soll eine Welthaltung verändert werden, die sich seit vierhundert Jahren in der westlichen Moderne entwickelt und allmählich etabliert hat, der wir unserem ganzen Lebensstil verdanken und die uns heute so selbstverständlich geworden ist, dass wir in ihr gefangen sind? Können wir uns dazu einfach entscheiden, als ob es in unserer Macht wäre, als ob wir also über diese Haltung verfügen würden? Doch seit Platons Höhlengleichnis sollten wir wissen, wie schwierig und zum Teil schmerzhaft eine Haltungsänderung sein kann. Es ist kein Wohlfühlprogramm. |
28.10. | Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Institut für interdisziplinäre Gewalt-und Konfliktforschung der Universität Bielefeld | Vom Mangel an Resonanz II: Ursachen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit Das soziale und politische Klima hat sich in den letzten beiden entsicherten Jahrzehnten dramatisch abgekühlt, es ist z.T. vereist. Dazu gehören die Entwicklungen von Einstellungen in Teilen der Bevölkerung zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Danach geraten Menschen allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit und unabhängig von ihren individuellen Verhalten in die Abwertung und Diskriminierung oder auch Gewalt.
Was sind Ursachen? Das Erklärungskonzept basiert auf einer Theorie sozialer Desintegration, in der Anerkennungsprobleme und auch Wahrnehmungsdefizite, also auch mangelnde Resonanzen, eine wichtige Rolle einnehmen.
Biografische Hinweise: Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, 74, war Gründer und von 1996 bis 2013 der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.
Sein jüngstes Buch: "Autoritäre Versuchungen. Signaturen der Bedrohung I" (Suhrkamp Verlag 2018)
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04.11. | PD Dr. Jörn Bockmann, Institut für Sprache, Literatur und Medien, Seminar für Germanistik, EUF | Himmel, Hölle, Fegefeuer. Über die (Un)-Verfügbarkeit des Jenseitsschicksals im Mittelalter Die Menschen in Zeiten Zeit vor der Aufklärung sahen sich einer beständigen Angst vor einem schrecklichen Jenseitsschicksal ausgesetzt. Nach der Einschätzung des Kirchenvaters Augustinus waren die meisten zur Hölle verdammt (‚massa damnata‘) und nur wenige für das Himmelreich bestimmt. Wen wundert es, wenn angesichts dieser Bedrohung alles unternommen wurde, um das abzuwenden? Im Spätmittelalter war die Jenseitsfüsorge bekanntlich ein nicht geringer Teil des geistlichen und auch täglichen Lebens geworden. Stifungen für Klöster und Kirchen, die ein ewig währendes Fürbitten gewähren sollten, sind genauso Ausdruck davon wie der Ablasshandel – lauter Versuche, das Unverfügbare verfügbar zu machen. DIe theologischen Positionen des Mittelalters in Bezug auf die Verfügbarkeit oder Unverfügbarkeit des Jenseitsschicksals sind keineswegs einheitlich: Ihnen lässt sich in der dennoch das Problembewusstsein ablesen, auf der einen Seite Gott und seinen Willen nicht verfügbar zu machen, auf der anderen Seite dem Menschen die Handlungssouveränität nicht ganz zu nehmen. Im Vortrag geht es nicht so sehr um die expliziten theologischen Diskussionen der Vormoderne, sondern um die Reflexe des Problems in der Literatur. Dazu werden Stationen aus der (hauptsächlich: volkssprachigen Literatur) vom 12. bis zum 15. Jahrhundert behandelt, die Fragen stellen und oft genug auch Antworten geben, die überraschen. |
11.11. | Mignon Remé, Schauspielerin, Mitbegründerin des Improtheaters "Hidden Shakespeare" | Unverfügbarkeit und Improvisation Was hat Improvisationstheater mit Unverfügbarkeit - so wie sie von Hartmut Rosa in seinem gleichnamigen Essay beschrieben wird - zu tun? Auf den zweiten Blick eine ganze Menge. Improvisationstheater ist eine flüchtige Kunst, die nur entstehen kann, wenn alle Beteiligten sich darauf einlassen, das Ergebnis des Vorgangs nicht beherrschen zu wollen, sondern es entstehen zu lassen. Dieser Vorgang verlangt die Bereitschaft, nur bedingte Kontrolle über das Ergebnis zu haben, was wiederum nur dadurch geschehen kann, dass die Improvisierenden ganz "im Moment" sind, hören, sehen, sich berühren lassen und reagieren. Das klingt so einfach und ist dennoch schwieriger als gedacht. Eine Herausforderung ist der Umgang mit der Bewertung. Da sowohl der Vorgang des Improvisierens, als auch dessen Ergebnis fast immer unserer und der Bewertung dritter unterliegen - und wir wünschen uns so sehr, dass diese Bewertung positiv ausfällt - versuchen wir gern, die Außenwirkung zu beeinflussen und das Ergebnis zu planen - soll es doch lustig, gehaltvoll, spannend oder berührend sein. Doch genau die Berechnung, Einflussnahme und die Planung - also der Wunsch, das Ergebnis verfügbar zu machen - widersprechen dem Anspruch des Improvisationstheaters, offen für das Unerwartete zu sein, spontan zu reagieren und darauf zu vertrauen, dass unsere Geistesgegenwart, unsere Emotionalität und unsere Phantasie uns helfen, so zu reagieren, dass etwas entsteht und sich entwickelt - ein Dialog, eine Szene, ein ganzes Drama. Gerade die Unberechenbarkeit macht den Kern und den Reiz des Improvisationstheaters aus - das Tun ist tatsächlich spannender als das Ergebnis - und die Bereitschaft, sich unvoreingenommen und ohne Plan auf Situationen und Ideen eines Gegenübers einzulassen, ist eine Fertigkeit, die uns in allen Lebensbereichen zu Gute kommt. Zu diesem Thema werde ich also sprechen und Fragen beantworten und im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten Übungen mit den Anwesenden durchführen, denn die Erfahrung am eigenen Leib ist eindringlicher als eine rein theoretische Abhandlung. Für die Teilnahme an den Übungen braucht es keine Vorbildung, allenfalls ein bisschen Neugier, Mut und Humor. |
18.11. | Prof. Dr. Susanne Royer, Internationales Institut für Management und ökonomische Bildung, Abteilung Strategisches und Internationales Management, EUF | (Un-)Verfügbarkeit, Knappheit & Wirtschaften In meinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung geht es um (Un-)Verfügbarkeit und Knappheit im Hinblick auf das Wirtschaften. Der Fokus liegt auf unternehmerischen Organisationsstrukturen als Grundlage für eine Auseinandersetzung mit (Un-)verfügbarkeit und Knappheit im Kontext von Wirtschaften. Eine über die reine Binnenorientierung hinausgehende Organisationslehre wird skizziert, indem Spielregeln und deren ineinandergreifende Wirkung - innerhalb des Unternehmens, aber auch über Unternehmensgrenzen hinaus – aufgezeigt werden. |
25.11. | Andrea Jänisch, Reitlehrerin und Pferdetrainerin | Unverfügbarkeit im Mensch-Tier-Verhältnis - fällt leider aus - |
02.12. | Prof. Dr. Peter Heering, Institut für mathematische, naturwissenschaftliche und technische Bildung, Abteilung für Physik und ihre Didaktik und Geschichte, EUF | Zwischen Fach, Vermittlung und Bildung: Vermeintliche Verfügbarkeiten und die Wahrnehmung der Naturwissenschaften In Hartmut Rosas gesellschaftstheoretischen Analyse erscheinen die Naturwissenschaften als einer der Faktoren, die die (scheinbar) zunehmende Verfügbarkeit innerhalb der Welt erzeugen und damit die Resonanz immer weniger auftreten lassen. Fraglich bleibt hierbei, welches Bild von Naturwissenschaft dieser Darstellung zugrunde liegt und wie ein derartiges Bild entstehen kann. Neben naturwissenschaftlichem Unterricht kommen hier vermutlich auch populärwissenschaftliche Darstellungen sowie öffentlichkeitswirksam agierende Akteur*innen aus dem Bereich der Naturwissenschaften in Frage. Gerade vor diesem Hintergrund lassen sich dann auch Beiträge zu aktuellen Diskussionen, die auf eine technische Lösbarkeit aktueller Probleme setzen, in eine andere Perspektive setzen. |
09.12. Achtung: im Audimax der EUF | Prof. Dr. Hartmut Rosa, Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Autor von "Unverfügbarkeit" | Unverfügbarkeit in der Kritik |