Abgeschlossene Forschungsprojekte

Auslöser und Verlauf von Sprachenwechsel: Dynamiken in der historischen Mehrsprachigkeit von Friedrichstadt 1650-1850

In diesem von Jan Niklas Heinrich abgeschlossenen Dissertationsprojekt (2024) wurde die Sprachgeschichte Friedrichstadts (Kreis Nordfriesland) von den niederländischen Anfängen im 17. Jahrhundert bis zur hochdeutschen Moderne näher untersucht. Als Gründung durch niederländische Glaubensflüchtlinge hielt sich Niederländisch hier über viele Jahrzehnte und zum Teil Jahrhunderte hinweg als Amts- und Kirchensprache. Ziel des Projektes war es, einen detaillierten Überblick über die Sprachgeschichte und vor allem über die Sprachgebrauchsgeschichte dieser Stadt zu erhalten, um besser zu verstehen, wie Sprachwandelprozesse noch dazu in einer Situation, in der die eingewanderte Sprache prestigeträchtiger als die Sprache der Umgebung ist, abliefen, wie Menschen in ihrem Alltag mit Mehrsprachigkeit umgingen und welche Rolle dabei soziale Faktoren wie Stand oder Religion spielten. Welche Sprachen wurden wann und in welchem Bereich verwendet? Sind gegenseitige Einflüsse erkennbar? Welche Faktoren haben den Spracherhalt gefördert oder zum Sprachwechsel bewegt? Dazu wurden Dokumente wie Briefe, Tagebücher, Protokolle und Berichte aus und über Friedrichstadt auf die verwendete Sprache, den Sprachstand und metasprachliche Kommentare untersucht, diese mit sozialen Faktoren der Schreiber und Schreiberinnen in einen Zusammenhang gebracht und die so gewonnenen Erkenntnisse in linguistische, historische, theologische und kulturwissenschaftliche Kontexte eingeordnet.

Die Untersuchungen wurden gefördert durch ein Stipendium des Landes Schleswig-Holstein.

Soziale Medien und der Gebrauch des Nordfriesischen

Hauke Heyen befasste sich mit nordfriesischer Sprache in digitaler Kommunikation in Diensten wie WhatsApp, Facebook und Twitter. Schwerpunkte Heyens Forschung sind wie Sprecher*innen mit Hindernissen in der digitalen Kommunikation umgehen, die oft vor allem kleine und regionale Sprachen betreffen. Neben der offensichtlichen eingeschränkten Reichweite sind das oftmals eine fehlende oder eingeschränkte Schreibtradition, die mit konzeptionellen (Besetzung der Domäne Schriftlichkeit durch eine andere Sprache, orthografischer Normdruck) sowie technischen (fehlende Unterstützung diakritischer Zeichen, fehlende Unterstützung von automatischer Korrektursoftware bzw. fehlerhafte Korrekturen) Herausforderungen einhergeht. 

  • Heyen, Hauke. 2022. #hokerbeest? Auf der Suche nach digitaler nordfriesischer Kommunikation. In Alastair Walker, Eric Hoekstra, Goffe Jensma, Wendy Vanselow, Willem Visser & Christoph Winter (eds.), From West to North Frisia: A Journey along the North Sea Coast. Frisian studies in honour of Jarich Hoekstra. Amsterdam: John Benjamins. 133-148.
  • Belmar, Guillem & Hauke Heyen. 2021. Virtual Frisian: A comparison of language use in North and West Frisian virtual communities. Language Documentation & Conservation 15. 285-315. 

Minderheitensprachen und Identität in der Diaspora

Wie entwickelt sich eine Minderheitensprache in der Diaspora? Mit dieser Kernfrage beschäftigte sich Robert Kleih. Er untersuchte, wie sich die nordfriesische Sprache und Kultur in den USA bis heute bewahrt und entwickelt hat. Zwischen den 1840er Jahren und 1966 wanderten mehrere tausend Nordfriesen (allen voran Föhrer und Amrumer) nach Amerika aus. Dabei waren die Zentren der Auswanderung Petaluma in Kalifornien, der Mittlere Westen und der Großraum New York und bis heute finden sich in diesen Gebieten eine Menge Amerikaner mit nordfriesischen Wurzeln und Verbindungen nach Nordfriesland. Dazu werden mittels eines Fragebogens und Interviews Daten erhoben, mit denen die nordfriesische Community in den USA beschrieben werden kann. 

  • Kleih, Robert. 2022. Postvernacular Identity in Two North Frisian Immigrant Communities in the USA. In Selected Proceedings of the 11th Workshop on Immigrant Languages in the Americas (WILA 11). 63-70.

Rekonstruktion historischer sozialer Netzwerke

Dieses Forschungsprojekt von Dr. Samantha M. Litty zur Rekonstruktion sozialer Netzwerke einzelner Schreiber*innen im amerikanischen Mittleren Westen und Norddeutschland bezieht sich auf persönlichen, familiären Briefen des 19. Jahrhunderts. Die Daten aus lokalen Archiven (Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig, Grundhof Kirchspiel Archiv, Wisconsin Historical Society & Archives), historischen Vereinen (Lomira Historical Society, Old Franklin Township Historical Society) und persönlichen Sammlungen (Reedsburg) werden zudem auf historisch-soziolinguistische Faktoren – Gesellschaftsstruktur, Sprachdomänen, Alter, Bildung, persönliche sprachliche Geschichte – und sprachliche Elemente der Schreiber*innen hin analysiert. Das Forschungsprojekt möchte die Verbreitung der einzelnen Netzwerke und das Zusammenspiel der sprachlichen Elemente in zwei- und mehrsprachigen Regionen und mögliche Auswirkungen des Inputs mehrerer Sprachvarietäten zeigen sowie die sprachwissenschaftliche Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden.

  • Litty, Samantha M. 2022. Historical Sociolinguistic Contexts: Networks and Feature Availability in 19th Century German Letter Collections. In Selected Proceedings of the 11th Annual Workshop on Immigrant Languages in the Americas (WILA 11). 40-47.

Historische Dialektologie und nordfriesische Daten

Temmo Bosse untersucht im Rahmen seiner 2019 abgeschlossenen Dissertation, die an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel betreut wurde, von welcher Qualität die Daten historischer Dialekterhebungen des Nordfriesischen sind. Konkret geht es dabei um die im Zuge von Georg Wenkers großangelegter Befragung für den Sprachatlas des Deutschen Reiches erhobenen Materialien in friesischer Sprache. Diese sogenannten friesischen Wenkermaterialien stellen zwar nur einen sehr geringen Anteil innerhalb der gesamten Spracherhebung im damaligen Deutschen Reich dar, in Nordfriesland hat es jedoch nie eine engmaschigere Untersuchung der Sprache gegeben. Die Materialien stammen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus dem späten 19. Jahrhundert. Sie sind seitdem in der frisistischen Forschung kaum berücksichtigt worden, da sie für eine lange Zeit nur schwer zugänglich waren und zudem im Ruf standen, unzuverlässig zu sein. Dabei handelt es sich um mehr als siebzig Formulare aus dreiundsechzig Ortspunkten in Nordfriesland (sowie sechs weitere aus dem Saterland und von Wangerooge). Auf diesen Fragebögen wurden von den jeweiligen örtlichen Volksschullehrern die vierzig bekannten sogenannten Wenkersätze in der jeweiligen friesischen Dorfmundart niedergeschrieben. Auch heute bereits ausgestorbene Dialekte der nord- und ostfriesischen Sprache sind im Material vertreten. Im Zuge des Forschungsprojekts sollen diese historischen Dialektdaten zugänglich gemacht, exemplarisch untersucht und bewertet werden.

  • Bosse, Temmo. "Das nord-und ostfriesische Wenkermaterial: Hintergründe, Validität und Erkenntniswert.

Effektivität von Sprachenpolitik

Von März 2018 bis September 2019 wurde ein vom Smithsonian Center for Folklife and Cultural Heritage gefördertes Forschungsprojekt (SMiLE) zur Effektivität nordfriesischer Sprachenpolitik durchgeführt. In diesem Projekt arbeiteten die Flensburger WissenschaftlerInnen Femmy Admiraal, Temmo Bosse, Nils Langer und Lena Terhart mit den KollegInnen Antje Arfsten und Thomas Steensen vom Nordfriisk Instituut zusammen, um zu ermitteln, welche Rolle sprachpolitische Maßnahmen wie Schulunterricht auf den Gebrauch und die Wahrnehmung des Nordfriesischen gespielt hat. Das Smithsonian förderte in diesem Zusammenhang auch sechs weitere Projekte zu anderen europäischen Minderheitensprachen.

Ausführliche Informationen zu diesem Forschungsprojekt finden Sie hier, einen Abschlussbericht bildet:

  • Admiraal, F. Langer, N. & Terhart, L. (2019). Measuring Effectiveness: A Study on Changes in Minority Language Use and Perception due to Revitalisation Efforts, with Evidence from North Frisian. Smithsonian Center for Folklife and Cultural Heritage. Dataset. https://doi.org/10.25573/data.21411705