Ähnlichkeiten. Studien zu einer ›Figur des Dritten‹ in Literatur-, Kultur- und Wissensgeschichte
Das wissenschaftliche Denken in westlichen Gesellschaften neigt spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu Ordnungen des Wissens in binär codierten Kategorien und Mustern. Sowohl rationalistische als auch empiristische Erkenntnislehren zielen darauf, Begriffe wie Wahrheit, Wissen oder Tatsachenerkenntnis mit Praktiken der Vereindeutigung sowie dem Ziehen möglichst trennscharfer Grenzen zu identifizieren. Im Zuge der Etablierung aufgeklärter und (später) positivistischer Denkstile wurden Epistemologien der Korrespondenzen, wechselseitigen Verflechtungen, der durchlässigen und veränderbaren Grenzen und Übergänge diskursiv ausgeschlossen und auch seitens der modernen Historiographie häufig vorschnell als ›vormodern‹ ausgewiesen.
Demgegenüber weisen literarische Texte infolge ihrer Poetizität eine hohe Affinität für Ambivalenzen, Mehrdeutigkeiten, ironische und subversive Sprachspiele vermittels Analogien und metaphorisch-allegorischen Ähnlichkeitsrelationen auf. Praktisch über die gesamte Spanne der neuere deutschsprachigen Literaturgeschichte vom Barock bis zur Postmoderne und Gegenwartsliteratur hinweg bestimmt sich die Literatur in ihren Austauschbeziehungen mit Kultur- und Wissensgeschichte als eine ›Figur des Dritten‹, indem sie deren statische (teils exkludierende) Ordnungen beobachtet, hinterfragt, kritisiert und mit poetischen Mitteln unterläuft.
Das Projekt erarbeitet historische Fallstudien zu einer Literatur-, Kultur- und Wissensgeschichte der Ähnlichkeit(en). Zu Ähnlichkeiten ›um 1800‹ und ›um 1900‹ haben bisher zwei Tagungen an der EUF (2017 und 2021) stattgefunden; des Weiteren ein Panel zu Literaturtheorien der Ähnlichkeit nach 1960 auf dem Paderborner Germanistentag 2022. Die Ergebnisse der Veranstaltungen erscheinen als Buchpublikationen in der Reihe Ähnlichkeiten. Literatur – Kultur – Wissenschaft im Aisthesis-Verlag.
Projektverantwortliche und Reihenherausgeber*innen: Prof. Dr. Matthias Bauer, Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut, Prof. Dr. Reto Rössler