Offizielle Pressemitteilungen der Europa-Universität Flensburg (EUF)
Historisches Signal für Sinti und Roma
Im Januar 2022 hat der Schleswig-Holsteinische Landtag einstimmig beschlossen, die Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein, insbesondere zu Verfolgung und Vertreibung im Nationalsozialismus, aufzuarbeiten. Heute (Freitag) ist nun der Startschuss für die wissenschaftliche Untersuchung des Themas durch die Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History der Europa-Universität Flensburg gefallen.
Es ist höchste Zeit
Die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Kristina Herbst, zeigte sich erfreut, dass die wissenschaftliche Arbeit nach der Vergabe des Auftrages an die Flensburger Universität jetzt beginnen kann. "Die Untersuchung des Themas durch Professor Buggeln und sein Team ist wichtig, um Wissen zu generieren und dieses Wissen der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können", betonte Herbst. "Es ist höchste Zeit, dass die Verfolgung und Vertreibung der Sinti und Roma jetzt umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet wird", ergänzte die Landtagspräsidentin.
Begleitung durch einen Beirat
Das Forschungsprojekt wird von einem Beirat begleitet, der sich Anfang Februar im Landtag konstituiert hat. Dem Beirat gehören die Landtagsabgeordneten Uta Wenzel (CDU), Eka von Kalben (Bündnis 90/Die Grünen), Birte Pauls (SPD), Dr. Heiner Garg (FDP) und Jette WaldingerThiering (SSW) an. Vertreter des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma im Beirat sind Matthäus Weiß und Rolf Schlotter. Für die Sinti Union Schleswig-Holstein wirken Kelly Laubinger und Marlo Thormann im Beirat mit.
Vorurteile immer noch verbreitet
Die Vorsitzende des Beirats, die Abgeordnete Birte Pauls (SPD), begrüßte den Projektstart. "Die Aufarbeitung der furchtbaren und menschenverachtenden Verfolgung und des Völkermordes an Sinti und Roma ist wichtiger denn je. Die Vernichtung ganzer Familien lässt die Nachkommen bis heute schweigen und still sein: Nicht weil sie nichts erzählen könnten, sondern weil weiterhin diese unerträgliche Angst vorherrscht, dass sich Geschichte wiederholen könnte", sagte Pauls. "Das Schlimmste ist, dass das leider nicht unbegründet ist. Antiziganismus hat sich über Jahrhunderte in der europäischen Geschichte entwickelt, hat seinen menschenverachtenden Höhepunkt im Nationalsozialismus gefunden und ist bis heute tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Vorurteile sind im Umgang mit Angehörigen der Sinti der Roma immer noch weit verbreitet. Die andauernde Diskriminierung prägt heute nach wie vor den Alltag der Familien, deren Angehörige oft seit Jahrhunderten in Schleswig-Holstein leben. Deshalb sind die Aufarbeitung und die Wissensvermittlung dieses grausamen Kapitels unserer Geschichte so wichtig", so die Beiratsvorsitzende abschließend.
Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History
Den Zuschlag für das Projekt hatte die Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History der Europa-Universität Flensburg im Oktober erhalten. Gegenstand des Forschungsprojekts ist die Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein im 20. Jahrhundert, mit dem Schwerpunkt auf der NS-Zeit und deren Bewältigung nach 1945. Der Fokus des Projekts liege nach Auskunft der Forschungsstelle auf der Erschließung aller Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren, die in Schleswig-Holstein im Hinblick auf Sinti und Roma geführt wurden. Weitere Arbeitsfelder des Projektes seien die Durchführung von narrativen Interviews mit Nachkommen der Überlebenden, die Erstellung einer Auflistung regionaler Überlieferungen in Schleswig-Holstein und die Durchführung einer exemplarischen Zeitungsanalyse, um insbesondere die Kontinuitäten des Antiziganismus zu analysieren.
Abschlussbericht für November 2025 erwartet
Projektleiter ist der Direktor der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History, Prof. Dr. Marc Buggeln. Am Projekt wirken darüber hinaus die wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Sebastian Lotto-Kusche und Melanie Richter-Oertel sowie studentische Hilfskräfte mit. Die Forschungsstelle wird bis zum 31. Oktober 2024 einen Zwischenbericht fertigen. Der Abschlussbericht soll dann bis zum 30. November 2025 vorliegen. Die Forschungsstelle untersucht und vermittelt seit Jahrzehnten die Geschichte des Nationalsozialismus und dessen Nachgeschichte in der Region.