Empirische Sonderpädagogik
Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung (gB) sowie deren Eltern werden oftmals übersehen, wenn Präventionsmaßnahmen gegen sexuellen Kindesmissbrauch (SKM) erarbeitet werden. Da Menschen mit gB einem erhöhten Missbrauchsrisiko ausgesetzt sind, ist diese Tatsache besonders problematisch. Ungünstig ist ebenso, dass sich Eltern mit der Aufklärung ihrer (nicht-) beeinträchtigten Kinder oftmals überfordert fühlen, diese jedoch den Grundstein für das Gelingen von Präventionsmaßnahmen legt. In Leitfadeninterviews (N = 14) wurde die elterliche Praxis der sexuellen Aufklärung von Kindern mit gB beleuchtet und der Unterstützungsbedarf von Eltern erfragt. Im Fokus stand dabei insbesondere der Beitrag der sexuellen Aufklärung zur Prävention von SKM. Da Eltern im Kontext sexueller Aufklärung als Hauptansprechpersonen für ihr Kind mit gB gelten, sollen so mögliche Ansatzpunkte für die Gestaltung zukünftiger Präventionsmaßnahmen aufgezeigt werden. Die Interviews wurden mittels (inhaltlich) strukturierender Inhaltsanalyse ausgewertet und ein Drittel der Daten zwecks Überprüfung der Intercoder-Übereinstimmung doppelt kodiert. Nur wenige Eltern gingen von einem erhöhten Missbrauchsrisiko ihres Kindes mit gB aus, dennoch gaben drei Viertel an, bereits ein Aufklärungsgespräch mit ihrem Kind geführt zu haben. Gleichzeitig beschrieben die Befragten Unsicherheiten in der Herangehensweise und bekundeten großes Interesse an der Teilnahme an einem Präventionsprogramm. Die Ergebnisse der Interviewstudie verdeutlichen, dass Eltern von Kindern mit gB Unterstützung im Hinblick auf sexuelle Bildung und Aufklärung benötigen.
Die Untersuchung, die dieser Publikation zu Grunde liegt, hat Lara Scarlett Lämmerhirt im Rahmen ihrer Masterarbeit konzipiert und umgesetzt. Die interessanten Befunde bieten viele Anknüpfungspunkte für die Gestaltung von Präventionsprogrammen und so ist es besonders erfreulich, dass diese Ergebnisse über die vorliegende Publikation für die Praxis aufbereitet und zur Verfügung gestellt wurden.
Der Beitrag ist frei verfügbar unter: https://doi.org/10.2440/003-0017