Literatur- und kulturwissenschaftliches Kolloquium
Das Literatur- und kulturwissenschaftliche Kolloquium lädt herzlich zu seinem Diskussionsformat Texte und Themen für die Gegenwart ein. Zum Auftakt der jeweiligen Veranstaltung lassen wir literarische und wissenschaftliche Texte selbst sprechen, anschließend kommen Expert*innen zu Wort, bevor auf der gemeinsamen Basis des Gehörten diskutiert wird. Die 90-minütigen Veranstaltungen werden von den Instituten für Anglistik/Amerikanistik, Dänisch, Germanistik und Romanistik gemeinsam organisiert und finden jeweils mittwochsabends um 18 Uhr c.t. in OSL 238 statt.
Im Frühjahrssemester 2025 erwarten uns folgende Texte und Themen:
19.3.: Prof. Dr. Jörn Bockmann (EUF): Kreuzzugstopik und Kreuzzugslyrik. Überlegungen zu historischen und gegenwärtigen Diskursen in literaturdidaktischer Hinsicht
Kreuzzüge sind in unterschiedlichen Kontexten von der Aufklärung bis in die Gegenwart topisch geworden. Das heißt, sie werden hier nicht als Gegenstand historischen Wissens verhandelt, sondern als Stoff- und Motivrepertoire, als Handlungstableau oder atmosphärischer Hintergrund historistischer Medien. Die Kreuzzugstopoi werden aber auch zeithistorisch als Argumente in politischen Absichten genutzt. Bezeichnenderweise konnte Bin Laden sich ebenso auf die Kreuzzüge berufen wie der gegenwärtige US-Verteidigungsminister mit seinem Deus lo vult-Tatoo.
Der Vortrag stellt eine literaturdidaktische Fragestellung in den Mittelpunkt, die in Bezug auf die heute noch virulente Kreuzzugstopik als Umweg zur historisch aufklärenden Reflexion betrachtet wird. Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine Variante des Theorie-Praxis-Problems, das sich insbesondere in der Behandlung älterer Literatur im Unterricht zeigt. Der avancierten neueren Literaturtheorie nach entfaltet Literatur – wie ihre Interpretation auch – Diskurse über Diskurse, während man in der Vermittlungspraxis in Universität und Schule oft mit einer Auffassung konfrontiert wird, die in überkommenen Deutungsmuster die Sachen selbst abgeschildert sieht.
Wie lässt sich damit umgehen? Auf diese Frage soll anhand prominenter Beispiele der mittelhochdeutschen Kreuzzugslyrik nach Antworten gesucht werden.
Apl. Prof. Dr. Jörn Bockmann ist für den Bereich Germanistische Mediävistik am Institut für Germanistik der EuF zuständig. Seine Arbeitsgebiete sind u.a.: die Neidhart-Tradition (Diss., München 1998), Diabologie und Dämonologie (Habil. Kiel 2013) sowie Niederdeutsche Sprache und Literatur des Mittelalters (Mediosaxonistik). In seiner wissenschaftlichen Laufbahn war er in verschiedene Forschungsprojekte eingebunden (u.a. zur pragmatischen Literatur, Humanismus, interkulturellen Literaturwissenschaft- und Didaktik).
23.04.: Prof. Dr. Markus Messling, Prof. Dr. Christiane Solte-Gresser (Universität des Saarlandes): Kultur und Reparation. Das Käte Hamburger Kolleg CURE und seine Projekte
Online-Veranstaltung, Link folgt.
Viele Verletzungen und Schädigungen – wie die Zerstörung von Kulturgütern in kolonisierten Gebieten, die durch Kriegserlebnisse erzeugten Traumata oder die Folgen des Klimawandels – können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Solche Verletzungen und ihre Unwiderruflichkeit setzen häufig komplexe Aushandlungsprozesse in Gang, darunter die Veränderung kultureller Identitäten und Welten. Sie werfen die Frage danach auf, wie mit der Erfahrung einer von Gewalt, Unrecht und Zerstörung natürlicher Ressourcen geprägten Vergangenheit eine gemeinsame und lebbare Zukunft geschaffen werden kann. Neben etwa ökonomischen und juristischen Reaktionen ist die Gestaltung einer solchen Zukunft auf kulturelle Praktiken der Reparation angewiesen.
Solchen Praktiken widmet sich seit 2024 das Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation CURE, in dessen Arbeit der Vortrag einen Einblick gibt. Im Fokus stehen Erinnerungskulturen und geschichtspolitische Diskurse, individuelle Erfahrungen von Verlust und Beschädigung sowie Fragen im Spannungsfeld von Natur und Kultur. Nach einem Überblick über Forschungsausrichtung und Struktur des Kollegs stellen die beiden Direktoren ihre eigenen Projekte zur Diskussion: Es geht zum einen um die Produktion von Wissen und Weltbewusstsein in der imperialen Französischen Republik und die Möglichkeiten ihrer Reparation. Zum anderen wird die Frage gestellt, ob erzählte Träume über die Shoah ein literarisches Wissen hervorbringen, das als Reparation zerstörter Subjektivität, vernichteter Tradition, lückenhafter Geschichtsschreibung und fehlender Zeugenschaft verstanden werden kann.
Mit der gemeinsamen Forschungsarbeit soll längerfristig ein umfassendes gesellschaftspolitisches Verständnis von individuellen und kollektiven Reparationsfragen in einer globalisierten Welt entstehen. Denn ein solches Wissen ist angesichts existenzbedrohender Krisen und irreparabler Schäden für ein zukünftiges Zusammenleben von grundlegender Bedeutung.
Christiane Solte-Gresser ist seit 2009 Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. Dort leitete sie von 2015 bis 2024 das von der DFG geförderte Graduiertenkolleg "Europäische Traumkulturen" (GRK 2021). Sie hatte Gast- und Vertretungsprofessuren an der Universität Aix-Marseille und der Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Seit 2023 ist sie Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (DGAVL). Sie ist Mitglied im Direktorium von LOGOS, der internationalen Doktorandenschule der Universität der Großregion, und gibt mehrere Zeitschriften und Buchreihen mit heraus, darunter das Jahrbuch Komparatistik, Rhinozeros: Europa im Übergang, Traum – Wissen – Erzählen und die Saarbrücker Beiträge zur Vergleichenden Literatur-und Kulturwissenschaft. Seit April 2024 leitet sie zusammen mit Markus Messling das Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE), finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Markus Messling ist Professor für Romanische und Allgemeine Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. Zuvor war er stellvertretender Direktor des Centre Marc Bloch – Deutsch-französisches Forschungszentrum für Sozial- und Geisteswissenschaften und Professor für Romanische Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2009 bis 2014 hat er an der Universität Potsdam die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe (DFG) "Philologie und Rassismus im 19. Jh." geleitet, seit 2019 ist er Leiter des ERC Consolidator Grants "Minor Universality: Narrative World Productions After Western Universalism". Er ist ordentliches Mitglied der Academia Europaea und hatte Gastprofessuren und Fellowships an der EHESS Paris, der University of Cambridge, der School of Advanced Study/University of London sowie an der Universität Kobe in Japan inne. Seit April 2024 leitet er zusammen mit Christiane Solte-Gresser das Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE), finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
4.6.: Prof. Dr. Jonah Winn-Lenetsky: Performing the Archive: the Circularity of Indigenous Temporality in Here Now and Always.
[Abstract folgt]
Jonah Winn-Lenetsky is the EUF's first Fulbright Visiting Scholar. He is originally from Santa Fe, New Mexico. He has a Ph.D. and Master’s Degree in Theatre from the University of Minnesota. He is currently an Assistant Professor of Performing Arts at the Institute of American Indian Arts. His dissertation titled Common Ground looks at the intersections of race, gender, sexuality and class, in the street performance work of activist groups in the UK and Palestine. Jonah has published on this and other topics in scholarly journals.
His recent work explores threats to the environment and how communities can use performance to conceptualize and address ecosystems. He is also an actor and director whose plays have been produced throughout the US and internationally. Most recently his collaborative productions have examined community-based cultural issues in Northern New Mexico with "Voices from Israel and Palestine", which looked at the similarities and differences between life in the Middle-East and in the Southwest and "12 Switches", a performance that celebrated lowrider culture.