Schullandschaften in europäischen Grenzregionen – Vergleichende erziehungswissenschaftliche Perspektiven
Einladung zur Teilnahme einer Arbeitstagung an der Europa-Universität Flensburg am 26. & 27. September 2024 im ZeBUSS Gebäude RIG 5
Organisiert von Jürgen Budde, Ilona Ebbers, Anke Wischmann, Julia Perlinger und Florian Klenk
Schulen sind staatliche und öffentliche Institutionen, mit spezifischen gesellschaftlichen Funktionen (etwa Fend 1980). Diese haben sich in Europa historisch in engem Bezug zum jeweiligen Nationalstaat entwickelt und bis heute sind Schulen und Nationalstaat aufs Engste miteinander verwoben. Wie Schule diese Funktionen allerdings ausfüllt, dazu bestehen konträre Ansichten (Castro Varela 2022; Geier und Doğmuş 2023; Vehse und Wischmann 2024). Helmut Fend vertritt die These, dass die Schule eine formale Sozialisationsaufgabe hat, die alle Schüler*innen in die Gesellschaft eingliedert bzw. dazu befähigt in ihr und an ihr zu partizipieren. Dabei wird zumindest implizit eine homogene Vorstellung von Gesellschaft als Nation gesetzt, deren (demokratische) Werte und Normen in der Schule reproduziert und angeeignet werden (sollen). Die Gesellschaft, die mit der Nation gleichgesetzt wird, sei jedoch eine imaginierte Gemeinschaft, die das Ideal einer homogenen Einwohnerschaft impliziert, welches nicht der Realität entspricht, aber trotzdem versucht das Ideal erzeugen. So wird eine spezifische Form erwünschter Zugehörigkeit angelegt, dem Schüler*innen, ebenso wie Eltern und Lehrpersonen entsprechen sollten. Wenn für Institutionen eine stabilisierende Funktion und die durch Routinen entlastete Reproduktion sozialer Ordnung angenommen wird, gilt es zu fragen, wie die Schule eine soziale Ordnung reproduziert, die Ein- und Ausschlüsse hervorbringt und die Wahrnehmungsmuster beeinflusst.
Diskurse nationaler Zugehörigkeit ebenso wie deren Reproduktion im und durch das Bildungssystem und die Schule unterscheiden sich je nach nationalem Kontext (Florack 2000; Keil 2006; Wieser 2023). In europäischen Grenzregion treten Zusammenhänge zwischen Bildungssystemen und Nationalstaat in besonderer Weise zutage, da in und durch Schule nationale Identitäten geprägt werden. Zugleich aber haben Schulen in einer globalisierten Welt den Auftrag, Unterschiede und Gemeinsamkeiten differenzsensibel zu bearbeiten. Schulen in demokratischen Gesellschaften sollen Partizipation ermöglichen und gesellschaftliche Normen, die der jeweiligen Verfassung entsprechen, vermitteln. Zugleich sind die Institutionen der Reproduktion gesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse. Insbesondere in Grenzregion ergibt sich in Kombination mit zumeist belastenden historischen Hintergründen eine regionale Gemengelage, in der Fragen von Minderheit, Mehrheit und Zugehörigkeit in je spezieller Weise verhandelt werden. An den (wortwörtlichen) Grenzen des Schulsystems zeigen sich im international vergleichend schulische Spannungsfelder in besonderer Weise.
Seit einiger Zeit forscht eine Arbeitsgruppe am ZeBUSS der Europa-Universität Flensburg zur spezifischen schulische Bildungslandschaft in der deutsch-dänischen Grenzregion Sønderjylland-Schleswig. Denn einerseits weisen beide Länder ähnliche Strukturmerkmale auf (etwa in Bezug auf Geographie, soziokulturelle Bevölkerungsmerkmale, ökonomische Struktur). Andererseits aber bestehen mit Blick auf Schul- wie Gesellschaftssystem in Deutschland und Dänemark tendenziell unterschiedliche Ausrichtungen, sodass von einem Minimalkontrast mit hoher Vergleichbarkeit ausgegangen werden kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bietet in unseren Überlegungen der Begriff Zugehörigkeit eine heuristische Klammer, die diese Aspekte bündelt (Mecheril und Shure 2015; Steinbach und Spies 2021). In der deutsch-dänischen Grenzregion Sønderjylland-Schleswig etwa bestehen auf beiden Seiten der Grenze neben dem nationalstaatlichen Regelschulsystem parallel Minderheitenschulen, in anderen europäischen Grenzregionen bestehen andere Varianten, mit den regionalen Besonderheiten umzugehen.
Mit der Arbeitstagung wollen wir den Blick ausweiten und mit ausgewählten Expert*innen Fragen diskutieren, die sich für Schulsystem in europäischen Grenzregionen in besonderer Weise stellen. Dazu zählen etwa: Welche Form von Zugehörigkeit wird von den jeweiligen Schulen versprochen, welche Diskurse um (gute) Bildung und (nationale) Zugehörigkeit konstituieren das Feld? Was bewegt Menschen im Grenzland diese Zugehörigkeit anzustreben? Und wie werden Zugehörigkeiten bzw. Anerkennungsmodi gelebt und artikuliert? Was wird in welcher Weise ausgeschlossen oder dethematisiert?
Ansprechpartnerin:
Dr. Julia Perlinger
Auf dem Campus 1a
24943 Flensburg
Julia.Perlinger@uni-flensburg.de
Timetable Konferenz inkl. Abstracts
Donnerstag, 26.09.2024
Das Vergleichen unterschiedlicher Bedingungen (schul-)pädagogischen Handelns scheint aus zwei Gründen in den letzten Jahren wieder interessant geworden zu sein: Erstens legen quantitative evidenzbasierte Studien die Annahme nahe, dass es sinnvoll sei, international zu vergleichen, wie leistungsfähig Schulsysteme, Schulen und Unterrichtskonzepte sind; zweitens stehen mit der zunehmenden Transnationalisierung von Lebensläufen und auch globalen gesellschaftlichen Herausforderungen wie der Klimakrise, der COVID-19-Pandemie und internationaler Migration Fragen der Anschlussfähigkeit der Entwicklung moderner – immer noch national verfasster – Schulsysteme zur Disposition.
Der Vortrag zielt darauf, die Bedeutung vergleichender Forschung herauszuarbeiten und die Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichens zu extrapolieren. Er fragt danach, unter welchen Bedingungen das Vergleichen von Erkenntnissen, jenseits einer Verstärkung von Nationalismen, abläuft und inwiefern die eigene Standortgebundenheit gerade und auch in vergleichenden Studien in neue Nationalismen führen kann. Dabei werden unterschiedliche Aspekte vergleichender erziehungswissenschaftlicher Forschung betrachtet, die sich mit symbolischen Ordnungen transnationaler Lernanforderungen und ihren Unterschieden in Schul- und Lernkulturen befasst.
Im Rahmen des Vortrags wird eine vergleichende erziehungswissenschaftliche Perspektive auf deutsche Auslandsschulen und Schulen in der europäischen Grenzregion Deutschland-Frankreich eingenommen. Dazu werden aus dem Sample des Forschungsprojekts "Professionalisierung für die Schule der Migrationsgesellschaft durch Lehrkräftemobilität? Rekonstruktive Analysen im Kontext Deutscher Auslandsschulen (ProMig)" (vgl. Fißmer, Mantel & Rosen, 2024; Fißmer, Rosen & tom Dieck, 2024) gezielt zwei biographisch-narrative Interviews mit Lehrkräften ausgewählt, die nach einem mehrjährigen Auslandsschuldienst in der Türkei eine Stelle an einer Schule im deutsch-französischen Grenzgebiet angetreten haben. Gefragt wird nach den (Dis-)Kontinuitäten von Transnationalisierungsprozessen in ihrem Schulalltag und deren Sedimentierung in ihren Berufsbiographien. Damit wird auch die Frage aufgeworfen, inwiefern Perspektiven und Fokussierungen erziehungswissenschaftlicher Transnationalismusforschung (Pfaff, 2018) eine fruchtbare Heuristik für die Untersuchung von Schulen in europäischen Grenzregionen darstellen können, insbesondere auch, ob diese - wie deutsche Auslandsschulen - als transnationale Bildungsräume begriffen werden können (vgl. Adick, 2008, 2013; Szakács-Behling, 2022).
Literatur
Adick, Christel (2008): Transnationale Bildungsorganisationen in transnationalen Bildungsräumen: Begriffsdefinitionen und Vorschlag für eine Typologie. In: Tertium Comparationis, 14(2), 168-197.
Adick, Christel (2013): Deutsche Auslandsschularbeit – Thema oder blinder Fleck in der Vergleichenden Erziehungswissenschaft? In: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hrsg.), Transnationale Bildungsräume in der globalen Welt (S. 109–122). URL: https://www.gew.de/fileadmin/media/publikationen/hv/Internationales/AGAL/Dokumentationen/Broschuere_Transnationale_Bildungsraeume.pdf
Fißmer, Janine; Mantel, Carola & Rosen, Lisa (2024): "ich bin wirklich wieder zum Türken ... geworden" – berufsbiographische Perspektiven (angehender) pädagogischer Professioneller auf das Social Boundary (Un)Making im transnationalen Bildungsraum Deutscher Auslandsschulen. In: Tertium Comparationis, 30(1), 56-74.
Fißmer, Janine; Rosen, Lisa & tom Dieck, Fenna (2024): Denied recognition of teachers' mobility experiences – case studies of teachers returning to Germany from schools abroad. In: Tertium Comparationis, 30(1), 75-92.
Pfaff, N. (2018). Erziehungswissenschaftliche Transnationalismusforschung im Gegenstandsbereich der Schule. Zwischen Struktur und Lebenswelt. In: Tertium Comparationis, 24(2), 151–170.
Szakács-Behling, Simona (2022): Inter- or Transnationalisation in or of schooling? A critical overview of conflating terminologies, empirical foci, and suggested definitions. In: S. Hornberg & M. Buddeberg (Hrsg.), Einflüsse gesellschaftlicher Veränderungen auf die Schule – Schule als Ort der gesellschaftlichen Teilhabe (S. 19–42). Waxmann.
Der Vortrag stellt zwei Bildungssysteme in europäischen Grenzregionen in den Mittelpunkt, die durch Grenzverschiebungen nach dem ersten Weltkrieg entstanden sind und in denen sich die sprachpolitischen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich entwickelt haben: Südtirol/Italien mit Deutsch und Ladinisch als anerkannten Minderheitensprachen und Kärnten/Österreich mit Slowenisch als größter anerkannter Minderheitensprache. Zunächst werde ich in soziohistorische und soziolinguistische Rahmenbedingungen in den beiden Regionen einführen und skizzieren, wie erziehungswissenschaftliche und soziolinguistische Zugänge verknüpft werden können, um die Bedeutung von Sprache und Mehrsprachigkeit in Bildungsinstitutionen rekonstruieren zu können. Im Hauptteil werde ich auf der Basis dreier ethnographischer Projekte den folgenden Fragen nachgehen: Wie wird sprachliche Zugehörigkeit jeweils bildungspolitisch, in der institutionellen Praxis und in der Kommunikation zwischen Familien und Bildungsinstitutionen verhandelt? Welche Rolle spielen dabei Hierarchisierungen verschiedener Sprachen (Nationalsprache, Regionalsprachen als anerkannte Minderheitensprachen, Migrationssprachen) und deren Sprecher*innen? Welche sprachbezogenen Inklusions- und Exklusionsmechanismen lassen sich rekonstruieren? Und welche Handlungsspielräume haben unterschiedliche Akteur*innen (Schulleitungen, pädagogisch Professionelle, Schüler*innen, Eltern, etc.)?
Der Beitrag bezieht sich auf eine Pilotstudie, die exemplarisch je eine Schule der deutschen Minderheit in Dänemark und eine Schule der dänischen Minderheit in Deutschland ethnographisch erkundet hat. Den Fokus der Analyse bildet dabei die Frage der Herstellung von Zugehörigkeit(en). Es wurden ethnographische Beobachtungen in der Schule in unterschiedlichsten Settings durchgeführt und Leitfadeninterviews mit Schulleitung, Lehrpersonen, Schüler*innen und Eltern geführt. Die Daten werden in Anlehnung an die Grounded Theory Methodology ausgewertet. Ziel ist die Rekonstruktionen der Figurationen von Zugehörigkeit im Kontext der Grenzregion und der Bezugnahme auf Minderheiten. Im Rahmen des Vortrags werden erste Ergebnisse der Studie präsentiert und zur Diskussion gestellt.
Freitag, 27.09.2024
Die Flucht von Lehrer*innen aus der Profession und der daraus resultierende Lehrermangel stellt Schulsysteme in Skandinavien – wie auch Europa – zunehmend vor Herausforderungen. Verschiedene europäische Länder haben versucht, dieser Flucht entgegenzuwirken, indem nationale Qualifikationsrahmen eingeführt wurden, die Qualifikationen von Lehrern definieren, unter anderem um den "Praxisschock" zu reduzieren. Diese Definitionen wurden im Anschluss genutzt, um Lehrer zu testen und zu prüfen, ob sie festgelegte Qualifikationen besitzen. Das Einführen solcher Testregime führte jedoch zu einer Objektifizierung von Lehrer*innen. Mittlerweile weisen verschiedene Studien darauf hin, dass diese Objektifizierung die Praxis des Unterrichtens untergräbt:
- Problematisch an dieser Objektifizierung ist, dass Unterrichten auf einer subjektiven ethischen Position beruht, die Lehrer*innen entwickeln müssen, um als Professionelle denken, urteilen und handeln zu können. Die Entwicklung von Lehrer*innen als professionelle Subjekte wird durch die Objektifizierung von Lehrer*innen durch Qualifikationsrahmen untergraben (Biesta, 2023).
- Die Objektifizierung von Lehrer*innen durch Testregime ersetzt die subjektive ethische Position von Lehrer*innen durch eine konsequentialistische Ethik, in der Lehrer*innen als Faktor für die Produktion von learning outcomes verstanden werden. Aktuelle empirische Studien indizieren, dass high-stakes Testregime jedoch einen negativen Effekt auf die Arbeit von Lehrer*innen haben (Darling-Hammond, 2021). Dieser Effekt zeigt sich in Skandinavien insbesondere in Schweden und Dänemark, wo die Einführung solcher Testregime mit einem Lehrer*innen-Mangel koinzidiert (Böwadt et al., 2019).
In Skandinavien hat eine breite Kritik gegen die Objektifizierung von Lehrer*innen zusammen mit dem evidenten Lehrer*innen-Mangel zu einer Diskussion geführt, welche Rahmungen von Lehrerqualifikationen bildungspolitisch besser geeignet sind, um die Qualifikation von Lehrer*innen zu bestimmen (Moos, 2024). Ein möglicher Weg für diese Bestimmung ist es, Qualifikationen von Lehrer*innen festzumachen, die eine Professionsflucht verhindern. Ein internationaler Scoping Review von 122 Artikeln zur Professionsflucht von Lehrer*innen macht deutlich, dass vier Qualifikationen zentral sind, damit Lehrer*innen nicht die Profession verlassen (Wieser, 2024): (1) Ein professionelles Selbst, das über Haltungen für die Interaktion im Unterricht, Unterrichtsplanung, sowie für administrative Aufgaben wie der Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und Eltern verfügt. (2) Relative Autonomie in der Gestaltung der eigenen Unterrichtspraxis (Planung, Durchführung, und Beurteilung). (3) Sorge um das professionelle Selbst und eine Aufmerksamkeit auf das eigene Wohlbefinden im Job. (4) Eine Arbeitsumgebung, die Unterstützung und Raum für den Austausch mit Kolleg*innen beinhaltet. Eine Analyse dieser vier Qualifikationen macht deutlich, dass diese Qualifikationen von Lehrer auf einer "caring attitude" (Noddings 2013, 55) beruhen, und gemeinsam in einer Care-Ethik verortet werden können. Care-Ethik bietet damit eine professionsethische Alternative zu heute verbreiteten konsequentialistischen Professionsethiken, und kann einer Professionsflucht von Lehrer*innen entgegenwirken.
References:
Biesta, G. (2023). On Being a Teacher How to Respond to the Global Construction of Teachers and Their Teaching? In S. Krause, M. Proyer, & G. Kremsner (Eds.), The Making of Teachers in the Age of Migration: Critical Perspectives on the Politics of Education for Refugees, Immigrants and Minorities (pp. 15–31). Bloomsbury Academic. https://doi.org/10.5040/9781350244184
Böwadt, P., Pedersen, R., & Katrine, N. (2019). Når Verdens bedste job bliver for hårdt En undersøgelse af, hvordan lærere har det i folkeskolen. Københavns Professionshøjskole.
Darling-Hammond, L. (2021). Defining teaching quality around the world. European Journal of Teacher Education, 44(3), 295–308. https://doi.org/10.1080/02619768.2021.1919080
Moos, L. (2024). Growing external influence on teacher thinking and practice. Policies, governances, and discourses. In L. E. Damgaard Knudsen, M. Wiberg, K. Bjerg Petersen, & L. Haastrup (Eds.), Teacher ethics and teaching quality in Scandinavian schools: New reflections, future challenges, and global impacts (pp. 34–50). Routledge.
Noddings, N. (2013). Caring: A relational approach to ethics & moral education (Paperback ed., 2. ed., updated). Univ. of Calif. Press.
Wieser, C. (2024). Teacher qualities that make teachers stay in the profession: Addressing teacher shortage in Nordic countries with ethics of care. In L. E. Damgaard Knudsen, M. Wiberg, K. Bjerg Petersen, & L. Haastrup (Eds.), Teacher ethics and teaching quality in Scandinavian schools: New reflections, future challenges, and global impacts (pp. 51–65). Routledge.
Die Bildungsinstitutionen der deutschen und dänischen Minderheiten in der Grenzregion zwischen Deutschland und Dänemark fungieren als entscheidendes Gefüge für die Erhaltung und Reproduktion der Minderheiten. Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Sprachen und Kulturen der Minderheiten gelehrt, erlernt und praktiziert werden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass viele Eltern, die ihre Kinder in die Einrichtungen der Minderheiten schicken, nicht die Minderheitensprache sprechen und auch ansonsten keinen Bezug zu den Minderheiten haben. Die Bildungseinrichtungen sind somit oft die einzigen Institutionen, in denen die Kinder mit einem Minderheitendasein in Berührung kommen.
In diesem Beitrag werden die spezifische Sprachsituation der Schülerinnen und Schüler der deutschen und dänischen Minderheiten in der Grenzregion sowie die sprachdidaktischen und -pädagogischen Praktiken, die von den Lehrkräften an diesen Einrichtungen angewendet werden, näher erörtert. Von sprachwissenschaftlicher Relevanz ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler nicht die Minderheitensprache als Erstsprache hat, die Minderheitensprache aber Unterrichtssprache in allen Fächern ist (Hansen, 2017). Dies stellt hohe Anforderungen an das sprachdidaktische und sprachpädagogische Fachwissen der Lehrkräfte. Die Unterrichtspraxis an den Schulen der Minderheiten kann somit als paradigmatisch für den Umgang mit sprachlich und kulturell heterogenen Lerngruppen gesehen werden.
Durch die Existenz der nationalen deutschen Minderheit im südlichen Dänemark und der nationalen dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, die jeweils über ein eigenes Bildungs- und Schulsystem von der Krippe bis zum Abitur verfügen, gibt es in der deutsch-dänischen Grenzregion eine grenzüberschreitende ‚europäische Schullandschaft‘. Wir stellen in unserem Vortrag die Minderheiten und ihr historisch gewachsenes Selbstverständnis sowie das jeweilige Schulsystem vor, einschließlich der Verbindungen der Minderheiten zu ihrem jeweiligen ‚Mutterland‘ und der Mehrheitsgesellschaft.